Langfristige Planung ist schwierig
Mochau/MZ. - Wer am Ortsschild von Mochau vorbeifährt, kann sich zunächst nicht vorstellen, wo in dem kleinen Ort ein Büro sein soll. Ein rotes Backsteingebäude mit einer alten Holztür erweist sich dann aber doch als Sitz des kaufmännischen Bereichs der Agrargenossenschaft. Durch einen Gang, dessen Wände mit einer uralten Tapete beklebt sind, gelangt der Besucher zu einer hellen Holztür, hinter der Bernd Winkler wartet.
In einem quadratischen Raum, der mit Holztisch, rustikalen Stühlen und Kühlschrank eher an eine gemütliche Bauernküche erinnert, sitzt der Chef. Winkler hat einen festen, entschlossenen Händedruck. Er trägt ein rot kariertes Hemd, seine blauen Augen blicken freundlich aus dem braun gebrannten Gesicht. "Ich zeig' Ihnen was", sagt Winkler. Auf einem großen Tisch liegen acht gerahmte Bilder nebeneinander und warten darauf, aufgehängt zu werden. Sie zeigen leuchtend gelbe Rapsfelder, ein wuscheliges schwarzes Rind und rosige Schweine. Winkler erklärt: "Wenn mal wieder eine Menge Schwierigkeiten auf den Betrieb zukommen, dann möchte ich vom Schreibtisch aufblicken und all das Schöne an meiner Arbeit sehen".
Umzug nach Kropstädt
Seit 2002 arbeiten die Agrargenossenschaft Kropstädt und die Agrargesellschaft Mochau-Schmilkendorf zusammen. Die beiden Unternehmen erledigen zwar das Tagesgeschäft gemeinsam und haben auch ihr Land zusammengefügt, finanziell wirtschaften sie aber getrennt. Schnell stellt sich heraus: Die Bilder, die Winkler gezeigt hat, sind für sein neues Büro. Der gesamte kaufmännische Bereich wird in den kommenden Wochen nach Kropstädt verlegt, näher an die Produktionsstandorte. In Kropstädt befindet sich der Großteil der Mitarbeiter. Winkler betont, dass der Betrieb so Strom- und Heizkosten spart, weil er nicht Gebäude in Kropstädt und Mochau unterhalten muss. Der Besucher merkt sofort, das ist kein Bauer, wie ihn sich Kinder vorstellen - mit Schirmmütze, Gummistiefeln, immer von einem Hauch von Kuhstallduft umweht; der Mann denkt wie ein Manager. Winkler zählt auf, womit sich die Genossenschaft beschäftigt: Ackerbau, Milchproduktion, Jungviehaufzucht, Schweinemastanlage in Euper, Sauenanlage in Kropstädt, Milchkuhwirtschaft in Mochau...
Besonders letztere ist ein gutes Beispiel dafür, wie Winkler das Unternehmen führt. Nach dem Zusammenschluss 2002 wurde das Milchvieh in Mochau zusammengeführt. "Vorher hatten wir zwei Melkstände, zwei Anlagenleiter, doppelte Stromkosten und doppeltes Personal. So lässt sich einfach effizienter wirtschaften", erklärt Winkler. Statt 37 Mitarbeitern hat der Zusammenschluss heute nur noch 35. Ab und an tippt er bedächtig mit seinem Zeigefinger auf ein paar Blätter, die vor ihm auf dem Tisch liegen - auf Passagen, die besonders wichtig sind. Winkler erklärt, dass der Zusammenschluss der beiden Landwirtschaftsunternehmen insgesamt ein Erfolg war. Natürlich habe es hier und da Streitereien gegeben, gibt Winkler zu. Er lehnt sich auf dem knarrenden Holzstuhl zurück. "Aber seit wir zusammenarbeiten, schreiben beide Betriebe schwarze Zahlen."
Hervorgegangen sind beide Betriebe aus einer ehemaligen LPG. Nach 1989 wurden sie unabhängig voneinander in unterschiedliche Nachfolgeunternehmen überführt. Schon damals mussten viele Mitarbeiter sich anderweitig nach Arbeit umsehen. Und so kam es zum Teil zu sehr abenteuerlichen Berufswechseln. Ein Pressegroßhändler pachtete zum Beispiel ein nicht mehr benötigtes Kartoffellager in Kropstädt und übernahm gleich einen Teil der Mitarbeiter der LPG. Die durften von nun an nicht mehr Kartoffeln sortierten, sondern Zeitungen.
1996 kaufte die Agrargenossenschaft Kropstädt dann die Schweinemastanlage in Euper und merkte schon bald, dass die rund 1000 Hektar Land, die zur Genossenschaft gehörten, nicht ausreichten, um ausreichend Futtermittel für die Schweine anzubauen. Dazu kam, dass viele Mitarbeiter nicht genug Arbeit hatten, weil es zu viele Angestellte und zu wenig Land zum Bewirtschaften gab. So bot es sich an, im Verbund mit der Agrargesellschaft Mochau-Schmilkendorf zu wirtschaften. Heute stehen den beiden Betrieben zusammen etwa 2200 Hektar Land zur Verfügung. Der Großteil davon ist nicht Eigentum der Unternehmen, sondern wird von insgesamt 220 unterschiedlichen Personen gepachtet, die ihr Land meist nicht mehr selbst bewirtschaften wollen oder können. Winkler will gerade erklären, vor welchen Problemen sein Betrieb steht, als das Telefon nebenan klingelt. Leicht genervt verschwindet er im Büro.
Winkler ist ein Mann, der sehr viel zu erzählen hat und sich nicht gerne aufhalten lässt. Besonders schwierig ist es für ihn und seine Leute, langfristig zu planen, was in welcher Menge angebaut wird oder auf welche Form der Viehhaltung die Genossenschaft setzt. "Schauen Sie", sagt Winkler, "vor ein paar Jahren lag der Roggenpreis noch bei rund sechs Euro, heute ist er bei gut 18!" Bei solchen Preisschwankungen fällt es den Landwirtschaftsbetrieben schwer zu entscheiden, was sie anbauen. In einer Zeit, in der sich der Markt fast wöchentlich verändert, setzt Winkler vor allem auf die traditionelle Landwirtschaft.
Aber die Genossenschaft ist offen für neue Entwicklungen. Vor einigen Jahren wurde kaum Raps angebaut. Seit dem Boom der Biokraftstoff-Branche hat sich das geändert. Im Vergleich zum Vorjahr hat der Betrieb dieses Jahr doppelt so viel Raps angebaut, der zur Herstellung von Biodiesel benötigt wird. Und auch den Trend hin zu Ökoprodukten behalten Winkler und sein Team im Auge. "Wir müssen immer hellwach sein, dürfen nichts verschlafen." Deswegen überlegt die Genossenschaft, in die biologische Schweinehaltung einzusteigen. Winkler steht bereits im Gespräch mit dem Handel.
Zwei nach zwölf
Neben dem Problem der langfristigen Planung hat der Genossenschaft in letzter Zeit vor allem das ungewöhnlich trockene Klima zu schaffen gemacht. Winkler zeigt sich ungeheuer erleichtert, als das Gespräch auf den Regen, der der Trockenheit folgte kommt. "Das war zwei Minuten nach zwölf für uns", sagt er. "Ich denke, wir werden dieses Jahr nur eine unterdurchschnittliche Ernte haben, aber keine katastrophale, wie wir das befürchtet hatten." Abschließend kommt die obligatorische Frage nach Winklers Zukunftsplänen. Er guckt erst ein bisschen ratlos. Er will kein trostloses Bild zeichnen, weiß aber, dass er einen umkämpften Markt bedient. "Ich denke, das Ziel ist Durchhalten, riesige Gewinne sind in der Landwirtschaft einfach nicht mehr möglich."