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Natur im Landkreis Wittenberg Lang vermisste Gäste - Erstmals wieder Störche in Heinrichswalde

In Heinrichswalde in der Gemarkung des Wittenberger Ortsteils Seegrehna nistet erstmals seit Jahrzehnten wieder ein Storchenpaar. Warum die Stadtwerke helfen müssen.

Von Andreas Hübner 11.05.2024, 10:00
Der vom Storchenpaar bevorzugte Nistplatz ist eigentlich nur ein Flugschutz für Jungstörche.
Der vom Storchenpaar bevorzugte Nistplatz ist eigentlich nur ein Flugschutz für Jungstörche. (Foto: Ralf Hennig)

Seegrehna/MZ. - Für Ralf Hennig wird ein langgehegter Traum wahr. „Für mich ist das, das Sinnbild für Idylle schlechthin“, sagt er. Seit offenbar mehr als 40 Jahren hat sich in Heinrichswalde wieder ein Storchenpaar niedergelassen und baut sich gemeinsam ein Nest. Hennig ist überglücklich, auch wenn die beiden Weißstörche zunächst Sorgen bereiten, weil sie sich eine gefährliche Niststätte ausgesucht haben.

Strommast statt alten Horst

Am 14. April habe Hennig das erste Tier gesehen. „Am 20. April war dann auch schon der zweite Storch hier“, sagt er, „und dann haben die beiden sofort angefangen ihr Nest zu bauen.“ Das Problem dabei sei aber, dass das Pärchen sich für einen Strommast als Nistplatz entschieden haben und nicht etwa für den in unmittelbarer Nähe auf einem Scheunendach befindlichen Horst.

Hennig weiß, dass vor Ort mehr als hundert Jahre lang sehr regelmäßig Störche waren. Heinrichswalde gehört zur Gemarkung des Wittenberger Stadtteils Seegrehna und liegt unweit der Ortschaft Bodemar inmitten des Biosphärenreservats. Ursprünglich als Wohnsitz genutzt, hatte auch ein Förster den idyllisch gelegenen Hof bewohnt.

Tagebuch aus dem Jahr 1880

Hennig berichtet von Aufzeichnungen, die zwischen 1880 und 1896 entstanden seien. Thilo Kraft, Sohn des Försters, habe dieses Tagebuch in seiner Kindheit und Jugend geführt. Immer wieder berichtet Kraft dabei auch von den Storchenpaaren, die im Horst auf der Scheune lebten und jährlich wiederkehrten.

Noch bis 1982 sei der Hof als Wohnstandort benutzt worden. Aus dieser Zeit seien auch die letzten Erkenntnisse von dort nistenden Störchen. In den folgenden Jahren sei das Gehöft noch als Ferienlager genutzt worden. Immer wieder werde in Seegrehna auch von legendären Partys gesprochen, die in der Heinrichswalder Scheune stattgefunden haben. „Man erfährt im Dorf von jedem etwas anderes“, sagt Hennig und betont, dass manche Informationen, die er gesammelt hat, nicht unbedingt erwiesen sind.

Der Storch als Kulturfolger

Mit dem Ende der ständigen Bewohnung haben Anfang der 1980er Jahre wohl auch die Störche Heinrichswalde den Rücken gekehrt. „Der Storch ist ein Kulturfolger und lässt sich am liebsten dort nieder, wo Menschen sind“, erklärt Hennig, der als Naturschutz- und Landschaftsplaner tätig ist. Seit 16 Jahren bewirtschaftet der gebürtige Wittenberger in der Freizeit gemeinsam mit seiner Frau den Hof und mehr als fünf Hektar an Obstwiesen drumherum.

„Wir wollen hier versuchen, die Bewirtschaftung mit den Anforderungen des Naturschutzes in Einklang zu bringen“, erklärt er das Projekt. Die Streuobstwiesen, die mit etwa 400 alten und neuen Obstbäumen bestückt seien, stünden dabei im Mittelpunkt. In den ersten Jahren seien die Erfahrungen, gerade was die Förderung der Artenvielfalt anbetrifft, eher ernüchternd gewesen.

Das i-Tüpfelchen

Mittlerweile aber kreuche und fleuche es wieder auf den Wiesen in Heinrichswalde. „In den jüngsten Jahren haben sich hier viele Arten niedergelassen und etabliert“, sagt er. „Wenn da nun auch wieder ein Storch durchschreitet, ist das für mich das absolute i-Tüpfelchen“, sagt Hennig. Auch aus diesem Grund habe er von Beginn an immer wieder den auf der Scheune existierenden Horst beobachtet.

Ein am Strommast befindliches kleines Brett aber empfanden die neuen Anwohner offenbar als standesgemäßer. Jenes Brett sei früher als Schutz für die Jungstörche vom Scheunendach angebracht worden. Diese hätten sich damals bei Flugversuchen durchaus auch im Strommast verfangen können. Allerdings biete dieses Brett eigentlich keine komfortable Nisthilfe für Meister-Adebar.

Das eingangs bereits erwähnte Problem bestehe darin, dass vom Storch benutztes Baumaterial auch schon mal herunterfällt und dann im Strommast für einen Kurzschluss sorgt. „Das ist insgesamt schon dreimal vorgekommen“, berichtet Hennig. Reparaturarbeiten seien dann jeweils nötig gewesen.

Isolierung soll Schutz bieten

Hennig berichtet, dass sich die Mitarbeiter der Wittenberger Stadtwerke schon am 30. April des Problems angenommen haben. „Die zuständigen Mitarbeiter der Abteilung Strom haben veranlasst, dass die Isolierung des Mastumspanners erweitert wurde, sodass herunterfallendes Geäst keine Auswirkungen mehr hat“, informiert Pressesprecherin Antje Schubert. Die Arbeiten vor Ort seien in Kooperation mit einer ortsansässigen Fachfirma durchgeführt worden.

„Der Vogelschutz ist uns ein wichtiges Anliegen“, kommentiert der stellvertretender Netzmeister Strom der Stadtwerke Wittenberg Stephan Reichert. Im Netzgebiet seien im Bereich von Freileitungen bereits viele Nisthilfen für Störche aufgebaut worden. „Auch für diesen Masten werden wir im Herbst in Vorbereitung auf die nächste Saison eine neue Nisthilfe anbringen“, kündigt Reichmann an.

Die Stadtwerke helfen Storch in Heinrichswalde, der  auf einem Umspanner brütet.
Die Stadtwerke helfen Storch in Heinrichswalde, der auf einem Umspanner brütet.
(Foto: Stadtwerke/Reichmann)