Kulturförderabgabe Kulturförderabgabe : Im Namen des Publikums

Wittenberg - Allein „Dummerland“ hat 120 weitere Unterschriften erbracht. Die Vorstellung vom 2. November im Wittenberger Clack-Theater hat damit die Ausbeute an Unterstützungsbeweisen für das private Varieté am Markt auf nunmehr weit über 1.000 erhöht. Flankiert wird die am 24. Oktober gestartete - und auch online laufende - Unterschriftensammlung im Publikum von Solidaritätsnoten prominenter Künstler wie etwa Gisela Oechelhaeuser, Purple Schulz oder der Wittenberg seit Jahrzehnten durch Familie verbundenen Claudia Wenzel.
Grund der Aktion ist die Absicht der Stadt Wittenberg, sämtliche kommerziellen Anbieter von Kulturveranstaltungen finanziell mit einer Abgabe auf Eintrittsgelder zu belasten.
„Wir wehren uns mit Nachdruck gegen eine derartige sogenannte Kulturförderabgabe, die mit der Förderung von Kultur, als Allgemeingut einer Gesellschaft, nichts zu tun hat - die im Gegenteil die Kulturschaffenden, Kulturhäuser und Veranstalter und letztlich UNS als Zuschauer weiter belastet und der Nutzung dieses Gutes finanziell weitere Hürden auferlegt“, heißt es im Text der Petition, die die Clack-Chefs Stefan Schneegaß und Mario Welker dann dem Oberbürgermeister zukommen lassen wollen.
Es werde „hier versucht, dem ohnehin schwer zu stemmenden Kulturgeschäft den Boden unter den Füßen zu entziehen!“. Von einem „Strafzoll“ auf die Kultur, die eigentlich „Pflichtaufgabe des Staates“ sei, spricht erbost Mario Welker. Geliefert wird auch ein Berechnungsbeispiel: Bei einem bisherigen Kartenpreis von 30 Euro wären im Clack künftig satte 36 Euro fällig. Wenn die Kulturförderabgabe auf Eintrittsentgelte, so der volle Name, denn in der geplanten Form - 20 Prozent pro Ticket für die Stadtkasse - kommt.
Das ist zwar noch nicht raus, da die entsprechende Beschlussvorlage in den beteiligten Ausschüssen des Stadtrats teils auf starke Skepsis gestoßen ist, liegt jedoch auch nicht außerhalb des Möglichen. Bereits in dieser Woche werden sich der Kulturausschuss am Mittwoch und einen Tag später dann auch der Haupt- und Wirtschaftsausschuss des Stadtrats erneut mit dem seit nunmehr einem geschlagenen Jahr kursierenden Papier befassen, das wie sein Zwilling Bettensteuer (Kulturförderabgabe auf Übernachtungen) in unterschiedlichen Teilen der Öffentlichkeit umstritten ist.
Ein Vorschlag: fünf Prozent
Die Argumentationslinie der Gegner in den Ausschüssen folgte dabei ziemlich genau dem Tenor der aktuellen Clack-Kampagne: Kulturgenuss würde für die (vor allem Wittenberger) Konsumenten zu teuer und auf der anderen Seite die Arbeit der (vor allem kleinen) Anbieter behindert, wenn nicht gar gefährdet, sollten sie nämlich die Abgabe nicht auf den Kartenpreis umlegen können.
Als Diskussionsgrundlage im Töpfchen liegt derzeit deshalb beispielsweise der Vorschlag von Stadtrat Stefan Kretschmar (Freie Wähler), den vorgesehenen Satz von 20 auf fünf Prozent zu senken. Die Stadtverwaltung hat auf Anfrage der MZ unterdessen angekündigt, selbst nicht mit einem neuen Vorschlag in die nächste Ausschussrunde zu gehen. „Das ist eine politische Entscheidung“, verwies Stadt-Sprecherin Karina Austermann auf die Entscheidungshoheit der Stadträte.
Unruhe und Unmut in der Wittenberger Kulturlandschaft dürften also andauern. „Natürlich wären fünf Prozent besser als 20 Prozent“, sagt dazu Mario Welker - und 20 Prozent „durchaus“ existenzgefährdend für sein Haus -, doch halte er, siehe oben, schon „den Ansatz für falsch“.
Auch andernorts verfolgt man die Debatte genau, so bei der Stiftung Luthergedenkstätten. „Ich gehe davon aus, dass unsere Stiftung diese Abgabe - so sie denn tatsächlich kommen sollte - auf die Eintrittsentgelte aufschlagen muss, da im Haushalt der Stiftung zu erwirtschaftende Eigeneinnahmen eingeplant sind“, ließ deren Sprecher Florian Trott auf die MZ-Frage nach Konsequenzen für Luther- und Melanchthonhaus wissen.
„Diese können nicht einfach durch eine kommunale Abgabe reduziert werden.“ Unterschriftenlisten habe man in den Museen nicht ausgelegt, „um zu vermeiden, dass auswärtige Gäste, die bei unseren Besuchern ja einen sehr großen Teil ausmachen, unnötig verunsichert werden“, so Trott weiter.
Unterdessen wurde ein erstes angebliches Opfer der städtischen Pläne bekannt: Im Stadthaus wird es 2016 keine Silvester-Gala geben.
Noch nichts von der Unterschriften-Aktion im Clack gehört hatte Ende vergangener Woche Denis Lehmann von der Wittenberger Veranstaltungsagentur „event2ll“, die auch die städtischen Veranstaltungshäuser bespielt, wie jetzt zu Silvester wieder die Exerzierhalle. Er finde die Kritik an der Kulturförderabgabe allerdings „berechtigt“ und würde unterschreiben. „Es betrifft uns ja alle“, sagt Lehmann. Schon jetzt müsse er den Eintrittspreis „sehr gewählt ansetzen“, verweist er diplomatisch auf den schwierigen „Spagat“ zwischen Einnahmen und Ausgaben. Er sei nicht grundsätzlich gegen eine Abgabe - die es in anderer Form auch bisher schon gab und die von ihm gezahlt wurde - doch wären „20 Prozent nicht tragbar“. Zumal er der Stadt ja auch Miete zahle für die Halle.
Dezember fast ausgebucht
Die „Zeichnungsfrist“ für die Unterschriftenaktion des Clack-Theaters endet übrigens am 23. Dezember. Bis dahin dürfte auch analog noch einiges zusammenkommen an Unterstützung: So gut wie sämtliche Clack-Veranstaltungen im Dezember, so ist auf den Werbeplakaten zu lesen, sind bereits ausgebucht. (mz)
