Kriegsgefangenenlager in Klein-Wittenberg Kriegsgefangenenlager in Klein-Wittenberg: Ausstellung in Christuskirche angekommen

Wittenberg - Gut acht Monate nach ihrer Eröffnung ist die Ausstellung „German Horror“ jetzt in der Christuskirche Wittenberg angekommen - also in der Nähe jenes Ortes, an dem sich dieser Horror während des Ersten Weltkriegs ereignete. Denn das Lager mit etwa 300 Baracken, in denen zwischen 1914 und 1918 über 15000 Kriegsgefangene interniert waren, befand sich auf Kirchenland.
Mit eigenem Friedhof. „Unfassbar für uns“, schreibt der heutige Ortspfarrer Hans-Jakob Schröter. Und weiter: „Jahrzehntelang, nein, ein Jahrhundert wurde dies gedeckelt und verschwiegen.“
Panzig spricht zur Eröffnung
Offiziell eröffnet wird die Ausstellung in der Christuskirche im Rahmen des Gottesdienstes am kommenden Sonntag, dem 21. Juli, um 10.30 Uhr. Dann erwarten sie auch Christel Panzig vom Pflug-Verein, in dessen Museum „Haus der Geschichte“ in Wittenberg die Schau 2018 entwickelt wurde.
Aus Zeitungsartikeln und Zeitzeugenberichten hatten Mitarbeiter des Vereins wie berichtet zehn Schautafeln gefertigt, um die Geschichte dieses in Deutschland wenig beachteten Kapitels der Lutherstadt aufzuarbeiten. Zündfunke des Vorhabens war, wie es damals in der MZ hieß, ein Vortrag des Historikers John Palatini, der zum Thema forschte und Hunderte Zeitungsartikel aus dem In- und Ausland gesichtet hatte.
Dass sich vor Ort kaum jemand vorher für dieses Kapitel interessierte, erklärt sich Schröter im Nachhinein damit, dass der Erste Weltkrieg, der doch als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen sollte, nicht zur Erinnerungskultur gehörte. Nun hofft der Theologe, dass sie mit der Ausstellung zur Versöhnung beitragen können.
Und er wünsche sich, dass die Dokumente zu der Erkenntnis beitragen, „welcher Segen die vielen Jahrzehnte in Frieden“ für die Menschen hier sind, sagt Schröter, der am Montag dieser Woche zusammen mit den Eheleuten Kummetz von der Gemeinde in der Winterkirche der Christuskirche steht. Dort sind neun der zehn Schautafeln auch zu sehen.
Gemeinde öffnet Türen
Die Tafeln informieren in Wort und Bild über den Umgang mit den Internierten ebenso wie deren Einsatz als Arbeitskräfte oder jene Art und Weise, in der sich mancher Wittenberger gaffend zum Zaun begab. Um die Gesundheit der Kriegsgefangenen war es zeitweise nicht gut bestellt, etwa erlagen viele einer Fleckfieber- und Typhusepidemie.
Informiert wird zudem über die Herkunft der Gefangenen, danach befanden sich am 10. Oktober 1918 noch 4598 Franzosen, 9147 Russen, 115 Belgier, 1260 Engländer, ein Rumäne, 1228 Italiener sowie 128 Zivilisten in dem Kriegsgefangenenlager. Nach dessen Rückbau entstanden Gartenparzellen und später das Wohngebiet Wittenberg-West.
Wie Hans-Jakob Schröter, so wirkt auch Gisela Kummetz fassungslos über die Unkenntnis in den letzten Jahrzehnten. Diese Unkenntnis, die aus dem Verschweigen erwachsen sein mag, machte zunächst auch vor ihr, deren Vater einst Pfarrer an der Christuskirche war, nicht Halt. Kummetz möchte das ändern, im Großen, die Schau sei ein Anfang. Über einen Gedenkstein oder etwas Vergleichbares müsste noch beraten werden. Kummetz selbst sieht in den Tafeln auch „eine Warnung“ vor neuen Demagogen.
Um die Tafeln, die erste der zehn steht im Eingang der Christuskirche, möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, wollen sie das Haus bald täglich von 10 bis 18 Uhr offen halten. Die Schau „German Horror“ ist als Wanderausstellung konzipiert. Im Anschluss an die Zeit in der Christuskirche soll sie weiter in Schulen gezeigt werden. Gefördert wird das Projekt vom Programm „Demokratie leben“.(mz)