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Kreißsaal in Wittenberg Kreißsaal in Wittenberg: Alida Ziemer ist neue leitende Hebamme am Stift

Von Corinna Nitz 02.04.2019, 13:58
Alida Ziemer ist leitende Hebamme im Paul Gerhardt Stift in Wittenberg. Die Kreißsäle der Klinik für Geburtshilfe bieten einige Annehmlichkeiten wie diese Entbindungswanne. Zudem gibt es einen Operationssaal und in Nachbarschaft im Haus auch eine Kinderintensivstation.
Alida Ziemer ist leitende Hebamme im Paul Gerhardt Stift in Wittenberg. Die Kreißsäle der Klinik für Geburtshilfe bieten einige Annehmlichkeiten wie diese Entbindungswanne. Zudem gibt es einen Operationssaal und in Nachbarschaft im Haus auch eine Kinderintensivstation. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Im evangelischen Krankenhaus Paul Gerhardt Stift in Wittenberg gibt es seit einiger Zeit ein sogenanntes Mutter-Kind-Zentrum. Es bietet Frauen, deren Nachwuchs zu früh oder womöglich krank auf die Welt kam, die Möglichkeit, bei ihrem Kind auf der Neugeborenenintensivstation zu bleiben.

Dort werden die Kleinen von Kinderärzten betreut und es gibt Kinderschwestern: Aber, sagt der Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe Martin Voss, „das ist kein Ersatz“. Kein Ersatz für die Mutter, deren Herzschlag so ein winziger Mensch neun Monate gehört hat. Voss zufolge gibt es gegenwärtig vier Betten für Mütter. Auf die Frage, ob der Bedarf groß sei, antwortet er: „Nicht groß, aber unvorhersehbar.“

Unvorhersehbar - vielleicht sollte man besser sagen selten gleichförmig, sondern immer wieder anders - sind die Tage und Nächte für Alida Ziemer. Seit Januar ist sie die neue leitende Hebamme im Haus, sie sagt: „Jede Frau ist anders bei der Entbindung.“

Und: „Das ist kein Routinejob.“ Ziemer ist Jahrgang 1987, dass sie Hebamme werden würde, sei ihr bereits im Alter von 14 Jahren klar gewesen: „Das ist mein absoluter Traumberuf.“

Bis auf die Insel

Ausgeübt hat ihn die Gräfenhainichenerin vor ihrer Rückkehr in die alte Heimat unter anderem in Flensburg, im größten Perinatal-Zentrum von Schleswig-Holstein. Ziemer hat sich zudem um Insulaner gekümmert, werdende Mütter etwa auf Sylt.

Die Schließung der Geburtshilfe in Belzig ist kein Einzelfall. So kritisiert der Deutsche Hebammenverband auf seiner Homepage: „Orte für Geburten werden aufgrund finanzieller oder organisatorischer Entscheidungen abgeschafft.“ 1991 gab es noch 1186 Kliniken, in denen Geburten möglich waren. 2014 seien es nur noch 725 gewesen. „Seitdem schließt fast jeden Monat ein Kreißsaal ganz oder vorübergehend die Türen“, heißt es auf der Website weiter, die auch über die Einsatzmöglichkeiten informiert. So begleiten Hebammen Geburten nicht nur im Krankenhaus, sondern auch im Geburtshaus und Zuhause. Darüber hinaus bieten manche Kliniken die Möglichkeit der Begleitung durch eine Beleghebamme an. Kritisch bemerkt wird im Übrigen, dass Hebammen - gemessen an ihrer hohen Verantwortung - zu wenig verdienen. Hebamme mit Leib und Seele ist Alida Ziemer am Paul Gerhardt Stift in Wittenberg. Ebendort würde sie sich auch gern der Hebammenausbildung widmen. Wer Interesse hat, könne sich melden.  

Zu den üblichen Aufgaben in der Betreuung kamen dort noch andere, eben insel-typische Herausforderungen, wenn etwa der Fährbetrieb witterungsbedingt eingestellt wurde und ein Hubschrauber die betroffene Frau aufs Festland bringen musste.

Während es im Perinatal-Zentrum den Angaben zufolge jährlich 2000 Geburten gab und 25 Hebammen im Team, geht es in Wittenberg ein, zwei Nummern kleiner. 767 Entbindungen hatten sie demnach 2018, „Tendenz steigend“, sagt Ziemer, die übrigens auch Vor- und Nachsorge-Aufgaben in einer gynäkologischen Praxis übernimmt und junge Familien nach der Entbindung zu Hause besucht.

In der Geburtsklinik sind sie zwölf angestellte Hebammen. Das sei komfortabel für die Dienstzusammensetzung - und angenehm für die Frauen. „Man hat mehr Zeit“, wenn man beispielsweise in den Früh- und Spätdiensten zu zweit im Einsatz ist. Letztlich diene das auch der Sicherheit.

Gut für die Sicherheit ist zudem, was Ziemer ein „weit gefächertes Wissen“ nennt. Berührt werden immer auch andere Fachgebiete, zumal dann, wenn beispielsweise werdende Mütter mit einer chronischen Erkrankung ankommen. Und es ist ja durchaus so, dass es nicht nur freudige Ereignisse gibt, da wolle sie noch nicht einmal von Totgeburten sprechen, es reicht ja schon ein krankes Neugeborenes.

Gemeinsame Visiten

Um also noch einmal auf das eingangs erwähnte Mutter-Kind-Zentrum zurückzukommen: Abgesehen von jenen Fällen, wo ein Umzug auf die Neugeborenenintensivstation notwendig wird, gibt es bereits Kooperationen. Die Rede ist von gemeinsamen Visiten von Frauen- und Kinderärzten. Im Übrigen betont der promovierte Gynäkologe Voss: „Wir können dankbar sein, dass wir in diesem Krankenhaus eine Kinderklinik haben. Das ist wirklich ein Vorteil.“

Apropos: Führte auch die Schließung der Geburtsstation in Belzig vor einigen Jahren zu einem Standortvorteil? Das will Voss so offenbar nicht sagen, stattdessen spricht er auch in diesem Zusammenhang von Dankbarkeit dafür, „dass sich einige Frauen entschieden haben, bei uns zu gebären“. Schließlich könnten sie ja auch nach Brandenburg oder Dessau gehen. Dass es sie nach Wittenberg zieht, mag am Ruf der Geburtshilfe liegen. (mz)