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Kreißsaal im Paul Gerhardt Stift Kreißsaal im Paul Gerhardt Stift: Stimmig statt steril

Von Andreas Benedix 21.10.2016, 12:34
Blick in den Kreißsaal
Blick in den Kreißsaal Paul-Gerhardt-Stift

Wittenberg - Gut besucht ist am frühen Donnerstagabend das Foyer des Paul-Gerhard-Stiftes in Wittenberg. Etwa 100 Mitarbeiter der Einrichtung sowie Gäste sind erschienen, unter ihnen auffällig viele junge Frauen mit Babybauch. Feierlich werden an diesem Tag die neuen Kreißsäle der Geburtshilfestation offiziell ihrer Bestimmung übergeben.

„Wir eröffnen heute etwas Neues, was eigentlich schon gut war. Meine Kollegen aus anderen Kliniken bekommen feuchte Augen, wenn sie sehen, wie dieses Haus eingerichtet ist“, leitet Geschäftsführer Henning Rosenberg die Feierstunde ein. Stolz und Freude spricht aus den Worten von Chefarzt Martin A. Voss. Herzlich dankt der zweifach promovierte Mediziner allen Helfern und Sponsoren für ihre Unterstützung.

In einer Bauzeit von knapp sechs Wochen entstanden im Paul-Gerhardt-Stift wohnliche Räume, die trotz allem mit den modernsten Sicherheitsvorkehrungen für Geburten ausgestattet sind. Das Konzept der Kreißsäle und zugehörigen Räume orientiert sich gleichermaßen an Gemütlichkeit und Funktionalität. Besonders hervorzuheben ist die Lichtgestaltung, die durch Farbwechsel der jeweiligen Situation angepasst werden kann und somit eine Geburt unterstützend begleitet. Neu hergerichtet wurden ebenfalls die Elternzimmer, in denen werdende Mütter und Väter in Obhut der Helfer angstfrei der Geburt ihres Kindes entgegensehen können.

In diesem Zusammenhang erinnert er sich gern an eine Begebenheit. Bei seiner Suche nach finanziellen Hilfen wandte er sich unter anderem an das größte in der Lutherstadt ansässige Unternehmen. „Zunächst erfolgte monatelang keine Reaktion“, erzählt Voss. Passenderweise am Weihnachtstag bekam er einen Anruf der Marketing-Chefin dieser Firma. „Sie wollte sich mit mir gemeinsam den Kreißsaal ansehen“, so der Gynäkologe. Wenige Tage später konnte er einen Scheck mit einer großzügigen Spende entgegennehmen.

Als Gastredner umreißt Wolfgang Böhmer, der ehemalige Leiter der Entbindungsstation des Paul-Gerhardt-Stifts und später langjähriger Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt die Geschichte der Geburtshilfe in Wittenberg. Dabei räumt er auch mit der Legende auf, dass der allererste Kaiserschnitt 1610 in Wittenberg durchgeführt worden sei. Böhmer verweist darauf, dass eventuell zuvor erfolgte diesbezügliche Operationen durchaus schon stattgefunden haben könnten. „Sicher ist aber, dass der erste medizinisch dokumentierte Kaiserschnitt hier stattgefunden hat. Bei dem Eingriff durch Jeremias Trautmann waren drei Professoren anwesend, die alles akribisch aufgeschrieben haben“, erklärt Böhmer. Er verweist auf die schweren Anfänge einer fachlich fundierten Betreuung Gebärender in der Lutherstadt und blickt auf die 70er und 80er Jahre zurück, in denen er der Geburtshilfestation im Stift vorstand. „Als ich 1974 hier angefangen habe, war ich doch etwas irritiert über die Zustände, die hier herrschten“, verdeutlicht Böhmer die damalige Situation. Nach seinen Worten verfügten die einzelnen Zimmer noch nicht einmal über ein Waschbecken. „Da galt es mitunter früh im weißen Kittel zur Visite zu gehen und abends zur Bohrmaschine zu greifen“, fügt der einstige Chefarzt schmunzelnd hinzu. Um so mehr freue er sich über die Entwicklung nach 1989, insbesondere natürlich über die nunmehr erfolgte Neugestaltung „seiner“ ehemaligen Station.

Antje Gebel vom „Atelier Gebel“ war wesentlich an der Entwicklung des neuen Designs der Kreißsäle und Funktionsräume beteiligt. In Bildern mit Ansichten der Räume vor und nach dem Umbau verdeutlicht sie die signifikanten Unterschiede. Farben, fließende Linien und wechselnde Lichtstimmungen haben streng und steril wirkende Einrichtungen abgelöst.

Davon überzeugen können sich auch die Gäste während eines Rundgangs durch die Abteilung. Unter ihnen ist Kerstin Rothe. Die werdende Mutti ist begeistert. „Für mich stand schon immer fest, dass ich im Stift entbinden werde. Jetzt erst recht“, nimmt sie Bezug auf die erwartete Ankunft eines neuen Familienmitgliedes. „Es wird ein Mädchen“ verrät sie noch. Eine andere junge Frau mit Babybauch ist von der Ausstattung der Kreißsäle ebenfalls begeistert. Auch sie wird ihren Nachwuchs im Stift zur Welt bringen. „Jetzt sehe ich der Geburt meines Kindes noch gelassener entgegen“, lautet ihr Fazit.

(mz)