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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Unternehmer auf dem Thron

Von HENRIK KLEMM UND UWE QUILITZSCH 09.08.2011, 15:08

DESSAU/WÖRLITZ/MZ. - Das Regieren ist Leopold Friedrich Franz nicht in die Wiege gelegt. Als er am Mittwoch vor 271 Jahren in Dessau auf die Welt kommt, da ist er ein Prinz aus anhaltischem Hause, nicht mehr und nicht weniger. Die Geschicke des Fürstentums hält sein Großvater, Leopold I., fest in den Händen. Ihm soll der erstgeborene Sohn, Wilhelm Gustav, folgen. Doch diesen raffen die Pocken noch zu Lebzeiten des Vaters hinweg, gerade einmal 37-jährig und ohne erbberechtigte Nachfahren.

Eltern sterben früh

So übernimmt der zweitgeborene Sohn nach dem Tod des "Alten Dessauers" im Jahr 1747 die Herrschaft: Leopold II. Maximilian, der Vater des nun zum Erbprinzen aufsteigenden Leopold Friedrich Franz. Bereits vier Jahre später stirbt der kränkliche Fürst, wohl auch, weil er den Tod seiner Frau im gleichen Jahr nicht verwinden kann. Franz verliert die Eltern, sein Onkel Dietrich wird Vormund und regiert vorerst das kleine Land.

Franz von Anhalt-Dessau hingegen setzt seine militärische Laufbahn - die er schon im frühen Kindesalter traditionsgemäß begonnen hat - in der preußischen Armee fort. Nur wenige Tage nach seinem 16. Geburtstag zieht er an der Seite des preußischen Generalfeldmarschalls Moritz von Anhalt-Dessau begeistert in den Siebenjährigen Krieg. Doch Preußen bekommt Probleme, siegt noch gegen die Österreicher in der Schlacht von Prag, verliert jedoch in der von Kolin, befindet sich auf dem Rückzug. Der preußische Kriegsstern scheint zu sinken.

Das macht die Dessauer nervös. Zudem erkrankt der Erbprinz, der sich während des Feldzuges in verschiedenen Militärlagern aufhält, im August 1757 an der Ruhr. Er beschließt, sich in Dessau kurieren zu lassen und lässt sich dienstuntauglich in die Heimat bringen. Nur wenige Wochen später bittet er Fürst Dietrich von Anhalt-Dessau, seinem Austritt aus der preußischen Armee zuzustimmen. Das geschieht. Im Oktober 1757 kann er seine militärische Laufbahn beenden.

Friedrich II. ist von dieser Entwicklung überhaupt nicht amüsiert. Als Fürst Franz von Anhalt-Dessau direkt nach der Übernahme der Regierung im Oktober 1758 dem Preußenkönig noch die Neutralität seines Fürstentums im Siebenjährigen Krieg mitteilt, hat das schwerwiegende Folgen. Anhalt-Dessau wird ausgeplündert, muss Soldaten stellen, Geld und Naturalien liefern, steht kurz vor dem Ruin. Das Land ist bettelarm. Neue Hoffnung bringt dem geschundenen und arg zerstörten Anhalt-Dessau das Kriegsende 1763. Und Fürst Franz - schon da geschickt agierend - nimmt es nicht mehr so genau mit der Neutralität, die er jedoch offiziell in den folgenden Jahrzehnten immer aufrechtzuerhalten versucht. Er setzt sich aufs Pferd, reitet nach Berlin und gratuliert Friedrich II. zum Sieg.

Ausgedehnte Reisen

Auch die (Zwangs)-Hochzeit mit seiner Cousine Louise Henriette Wilhelmine, Prinzessin von Preußen und Markgräfin von Brandenburg-Schwedt, am 15. Juli 1767 findet in Berlin im Beisein Friedrich des Großen statt. Nicht zuletzt und ganz Diplomat nennt Fürst Franz von Anhalt seinen Sohn, der Erbprinz wird am 27. Dezember 1769 geboren, nicht wie zu erwarten wäre Leopold, sondern Friedrich.

Einige Jahre zuvor reist der Fürst gemeinsam mit Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff 1763 / 64 nach England, um aus seinen Verpflichtungen daheim auszubrechen, Kontakte zu knüpfen, zu schauen, zu lernen. Erdmannsdorff entdeckt dabei seine Liebe zur Architektur, Fürst Franz die seinige zur modernen Landschaftsgestaltung. Selbst dem britischen König Georg III. wird der Fürst vorgestellt. Schwer nachvollziehbar, dass der 24-Jährige, der über ein armes, kleines und gerade mal etwa 35 000 Einwohner zählendes Fürstentum herrscht, ohne den Verweis auf seinen Großvater, den hoch dekorierten und auch für England auf dem Schlachtfeld siegreichen Generalfeldmarschall Leopold I., jemals über die königliche Türschwelle gekommen wäre. Kaum wieder in Dessau geht es von 1765 bis 1767 - Erdmannsdorff ist erneut dabei - auf Grand Tour nach Italien, Frankreich und England. In Rom führt sie Johann Joachim Winckelmann zu den wichtigsten antiken Stätten und durch die Sammlungen des Kardinals Albani. In Neapel besteigen sie den Vesuv, besuchen die Ausgrabungen der Städte Pompeji und Herculaneum, in England informieren sie sich erneut über Architektur und Gartengestaltung, interessieren sich aber auch für Arsenale, Festungen und Schlachtfelder. Übrigens wird Fürst Franz 1775 im Verlauf einer weiteren Englandreise und begleitet von Louise mit Begeisterung und drei Stunden lang das in Chatham liegende größte Kriegsschiff der Welt, die britische "Victory", inspizieren.

Land wird verändert

Nach ihrer Rückkehr 1767 krempeln der Fürst und Erdmannsdorff Anhalt-Dessau um. Da ist es hilfreich, dass schon der "Alte Dessauer" den Landadel entmachtet hat, die alleinige Entscheidungsbefugnis für alles beim Fürsten liegt. Sie erschaffen Schritt für Schritt das Gartenreich mit seinen englischen Landschaftsparks, den klassizistischen und neugotischen Bauten, den unterschiedlichsten Sammlungen. Der Fürst reformiert Gartenbau, Forst- und Landwirtschaft - den wichtigsten Wirtschaftszweig des Landes. Er sorgt für Bildung durch die Neuordnung des Schulwesens, für eine bessere soziale und gesundheitliche Versorgung. Ein von ihm auf den Weg gebrachtes umfangreiches Gesetzeswerk lässt bei allen, was er in Angriff nimmt, dem Zufall wenig Raum. Konsequent realisiert er seine Pläne, auch die Untertanen dürfen teilhaben, er ist tolerant und steht neuen Ideen aufgeschlossen gegenüber. Längst hat der Fürst erkannt, dass er letztlich nur auf diesem Weg erfolgreich sein kann. So werden die Mittel erwirtschaftet, die es ermöglichen, dass das Nützliche eine Symbiose mit dem Schönen eingeht. Fürst Franz von Anhalt-Dessau, der 1807 von Napoleon - mit dem er sich stets geschickt arrangierte - zum Herzog ernannt wird, ist zeitlebens ein moderner, aufgeklärter Unternehmer auf dem Thron.

Und er bricht - so gut es eben geht - auch mit einer weiteren Sitte seiner Zeit: Der Fürst verzichtet auf kostspielige Bälle und üppige Essen an seinem Geburtstag. "Um seiner Geburtstagsfeier in Dessau auszuweichen, verreiste der Fürst mit mir über Gröbzig nach Sandersleben", schreibt Louise 1771 in ihr Tagebuch. Und sieben Jahre später heißt es dort: "Sein Geburtstag wurde diesmal gar nicht gefeiert."

Herzog Franz von Anhalt-Dessau stirbt nach einem Reitunfall im Jahr 1817 im Dessauer Luisium.

Lesen Sie am kommenden Mittwoch vom Leben und Tod im Gartenreich, vom Elysium und vom Drehberg, wo einst das fürstliche Grabmal stand.