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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Passion eines Bastlers

Von KARINA BLÜTHGEN 05.06.2011, 17:14

PRETZSCH/MZ. - Die Flügel, die der Fachmann Ruten nennt, drehen sich, und auch die Bockwindmühle selbst lässt sich in den imaginären Wind drehen.

Er habe schon eine Weile überlegt, was er anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Heimatmuseums in seine alte Heimat mitbringen könnte, meinte Böhme. Zwei Schiffmodelle, einen Kettendampfer und einen Seitenraddampfer, hat der Mittsiebziger schon gebaut. Und obwohl ihm Elbeforscher Karl Jüngel bereits etliche Pläne für ein weiteres Schiff geschickt hatte, entschied sich Böhme für etwas weniger Aufwändiges: eine Bockwindmühle, für deren Aufbau er etliche Mühlen und ein Museum in Gifhorn besucht habe. Mühlen, so Erhard Dubrau, habe es in und um Pretzsch mehrere gegeben. Bei nicht allen könne heute mehr ein genauer Standort angegeben werden, sagte der Leiter des Museums. Überhaupt sei über die Geschichte der Pretzscher Mühlen relativ wenig bekannt.

Doch für die etwa zwei Dutzend Gäste am Sonntag bei der Übergabe, darunter auch Waltraud Murche, hatte er einige Eckdaten ausfindig gemacht. Die Mühle "links von der Wittenberger Straße zwischen Pretzsch und Merschwitz", war, wie es in einer Anzeige heißt, im August 1847 vom Müller Heinrich Dossmann geplant. 1883 wurde Friedrich Wilhelm Murche Besitzer der Mühle. 1893 übernahm sie sein Sohn Ernst Hermann. Der Seniorchef starb 1913 im Alter von etwa 60 Jahren. Sie habe noch einen Brief, in dem von einem Blutsturz die Rede ist, sagte Waltraud Murche, heute 81 Jahre alt. "Kurz danach ist er dann gestorben."

Und dann kam man ins Plaudern über die Bäckerei von Ernst Murche und die Kinder, die sich dort gern Kuchenränder holten. Über die Verpachtung an Herbert Ritter und ein Polizeiprotokoll vom 18. März 1948, in dem der Diebstahl von 47 Kilogramm Roggenkörnern festgehalten ist. Waltraud Murche konnte noch einige Hinweise zu den Besitzern geben. Die Mühle wurde in ihren letzten Jahren mit einem Dieselmotor betrieben. Amalie Schwiderowski aus Kleinzerbst erwarb das Grundstück 1963, die Mühle wurde abgebrochen. In dem Mühlenhaus, das 1889 abbrannte und 1901 wieder aufgebaut wurde, wohnt heute ihre Tochter Elisabeth Müller, die am Sonntag ebenfalls anwesend war.

Für Richard Böhme, der Pretzsch im Alter von 18 Jahren verlassen hatte, ist aber nicht nur die Übergabe seiner Modelle Anlass, die Elbestadt wieder zu besuchen. Jedes Jahr sei er einmal da, erzählte er. Sein Modell sei nicht nur äußerlich komplett, zumindest das Gebälk innen habe er maßstabgetreu nachgebildet. Nur der Mahlgang, der fehle. "Die Zahnräder, das ist auch im Original alles aus Holz", weiß er. Die anzufertigen hätte den zeitlichen Rahmen weit gesprengt. Ein gutes Argument sprach zumindest gegen den Aufwand: Das Innere ist ohnehin nicht zu sehen.