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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Kemberger Entdeckungen

Von KARINA BLÜTHGEN 31.07.2011, 15:58

KEMBERG/MZ. - "Optisch macht er toll was her. Ich habe ihn allerdings noch nicht sprechen hören." Ingo Schönbohm aus Nordhorn, nahe der holländischen Grenze gelegen, zückt beim Mittelalterspektakel in Kemberg die Kamera. Vor deren Linse hat er Erich Schreiner, der Kemberger ist der Darsteller von Bartholomäus Bernhardi, jenem berühmten Propst zu Luthers Zeit, der unbehelligt in den Stand der Ehe treten konnte.

Erst vor etwa vier Jahren hat Ingo Schönbohm erfahren, dass jener Propst sein Vorfahr war. "Mein älterer Bruder hat mit Ahnenforschung angefangen, da hat er herausgefunden, dass wir alle vom alten Bernhardi abstammen", erzählt er. "Und bis dahin wusste der Verein hier auch nichts über uns." Der Verein, das sind die Kemberger Lebenszeiten, die das Fest rund um die Kirche seit 2002 organisieren.

Den haben Schönbohm und seine Lebenspartnerin vor zwei Jahren erstmals kennen gelernt. Im vorigen Jahr war dann sogar eine Art Bernhardi-Nachfahren-Treff mit elf Personen in Kemberg beim Fest, darunter mit Christian Bernhardi auch jemand, der sogar noch den Nachnamen des Ahnen trägt.

Diesmal ist der Norddeutsche zur Eröffnung der einzige Vertreter der Familie. "Mein Sohn, seine Frau und mein Enkel aus Berlin wollen noch kommen", sagt Ingo Schönbohm. Aber das werde wohl später Nachmittag, schränkt er ein. Dass er in Norddeutschland wohnt, hat einen einfachen Grund. "Ein Enkelsohn Bernhardis hat nach Friesland geheiratet. Wir kommen ursprünglich alle aus Friesland", erläutert der 63-Jährige die familiäre Linie. Er hat in Jever noch zwei Geschwister. Eine Schwester wohne in Paris. "Mein Ältester ist in Berlin. Auch er hat ein Rieseninteresse, alles über die Geschichte des alten Bernhardi rauszukriegen."

Auch die Tradition der Pastoren in der Familie, hat er herausgefunden, hat sich seit Bernhardi noch eine Zeit fortgesetzt. "In der Nachfolge des Enkels hat es noch fünf oder sechs Pastoren gegeben, das verlor sich nach dem Dreißigjährigen Krieg", erzählt Ingo Schönbohm und probiert das Essen in Kemberg. "In diesem Jahr haben sie etwas Pech mit dem Wetter. Aber ich finde es toll, dass hier Einheimische so einen mittelalterlichen Markt auf die Beine stellen."

Nun, das mit dem Wetter erweist sich als glatte Untertreibung. Es schüttet am Nachmittag fast pausenlos. Die musizierenden "Rabenbrüder" versichern: "An uns liegt es nicht. Wir spielen sonst immer bei schönem Wetter." Das Publikum erweist sich als hart im Nehmen. Da werden unter den Schirmen, die gegen Sonne schützen sollen, weitere Regenschirme aufgespannt. Kaffee und Kuchen, Räucherwurst und Schwein am Spieß schmecken prächtig. In der Kirche und im Stadtturm ist es jedenfalls trocken. Letzterer bietet Raum für Kinderspiele, wie Münzen auf schwimmende Brettchen fallen lassen. Ingo Schönbohm hat inzwischen Erich Schreiner persönlich kennen gelernt. Bernhardi verbindet eben über Jahrhunderte.