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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Hochfliegende Erinnerungen

Von KARINA BLÜTHGEN 13.03.2012, 17:05

REINSDORF/MZ. - "Hier trifft man sich wieder", staunte Torsten Malmström, als ihm Christine Behn in Reinsdorf die Hand drückte. In den 60er Jahren waren sie beide auf der Artistenschule in Berlin, wenn auch nicht im selben Jahrgang. Christine Behn war im "Duo Eton" mit Luft-, später auch Tanzakrobatik unterwegs gewesen. Torsten Malmström arbeitete unter anderem am Reck mit den "Rectons" und der "Samarra-Truppe".

Am Wochenende, beim nunmehr 21. Artisten- und Künstlertreffen in der "Hohen Mühle" bei Wittenberg, gab es das Wiedersehen. Wer auch immer zur DDR-Zeit in Zirkus und Varieté unterwegs war, trifft hier einmal im Jahr Freunde und Bekannte. Dieses Mal waren 130 Künstler und Artisten angereist, von der Küste und auch aus Süddeutschland. Brigitta und Torsten Malmström waren zum ersten Mal da, "Einladungen hatten wir schon jedes Jahr bekommen. Aber ich habe ja noch gearbeitet", sagte Torsten Malmström. Er stammt aus Güstrow, wo das Paar heute noch wohnt. Brigitta Malmström ist gebürtige Berlinerin. "Ich bin in einem Zirkuswagen geboren worden", erzählte sie. "Es war im Zirkus Barlay, später Berolina." Auf der Artistenschule lernten sie sich kennen, sie sind inzwischen seit 43 Jahren verheiratet.

Mit drei eigenständigen Darbietungen traten sie auf. "Brigitta" schwebte am Solotrapez unter der Zirkuskuppel, die "Rectons" und "Samarra-Truppe" machten Reck- und Parterre-Akrobatik. "Wir waren im Ausland sehr gefragt, ab 1972 haben wir zehn Jahre im Westen gearbeitet." Das Gehalt in Valuta ging nach Hause, die Artisten erhielten im Gegenzug vom Staat Diäten. Die "Rectons" waren 1979 "Monte Carlo-Preisträger". Überhaupt bei diesem Zirkusfestival dabei sein zu dürfen sei das Größte gewesen, "und dann auch noch Preisträger zu sein", ist Malmström noch immer begeistert von diesem unglaublichen Erfolg.

"In 22 Ländern waren wir unterwegs, unter anderem in der Mongolei", erinnerte sich Brigitta Malmström. Tourneen in Kuba und Mittelasien haben sie mitgemacht, teils unter unvorstellbaren Bedingungen. 1988 machte Brigitta Malmström eine Umschulung als Moderatorin, Ehemann Torsten hörte im Alter von 40 Jahren, kurz vor der Wende, mit der Artistik auf. Zwei Jahre war er stellvertretender Direktor des Zirkus Aeros. "Ich wollte immer Direktor werden", meinte er schmunzelnd. Doch dazu kam es durch die politischen Veränderungen nicht. "Wir mussten alle sehen, wie wir uns über Wasser halten." Malmström arbeitete im Varieté, war beim Zirkus Knie und wurde schließlich Zeltmeister beim Zirkus Krone.

Als solcher koordinierte er den Auf- und Abbau des gigantischen Zeltes, das 3 250 Quadratmeter Fläche überspannt und 5 000 Personen Platz bietet. "Einen Tag Aufbau, der Abbau über Nacht. Das ist eine enorme Belastung für die Leute", erklärte er. "Man kämpft mit dem Wetter. Und jede Stadt, jeder Platz ist anders." Der Stamm der 32 Leute zum Aufbau (beim Abbau sind es etwa 60) sprach zum Glück Deutsch und übersetzte für die vielen Ausländer. Obwohl: "Schimpfen kann man in jeder Sprache schnell." Und Zirkusleute seien nicht zimperlich.

Seit Dezember haben Brigitta und Torsten Malmström dem Berufsleben Adieu gesagt. "Wir versuchen zu Hause zu bleiben." Erinnert werden sie dort an ihre Zeit beim Zirkus jeden Tag. In zwei Räumen haben sie ein Museum eingerichtet, mit alten Plakaten, Kostümen, Requisiten und vielem mehr. Torsten Malmström ist bereits Artist in der siebenten Generation, sein Vorfahre begeisterte um 1725 die Zuschauer als Seilläufer. Beim Treffen in Reinsdorf mit vielen ehemaligen Kollegen ließen sich auch Lücken füllen, etwa was die einzelnen Stationen der Tourneen des Staatszirkus betraf. "So viele hätten wir hier nie erwartet", meinten sie. Vielleicht sind sie auch im nächsten Jahr wieder da.