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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Ende einer langen Tradition

Von ALEXANDER BAUMBACH 04.07.2011, 16:28

BERGWITZ/MZ. - Der Gemeindehirte war seit 1985 in Bergwitz tätig und übernahm über die Jahre hinweg immer mehr Dörfer in seinen Pfarrbereich. Das Thema der Woche stammte aus dem Lukas-Evangelium, es ging um Einladungen. "Lasset mein Haus voll werden" - das hatten sich die Bergwitzer nicht zweimal sagen lassen. Das Gotteshaus war entsprechend gut besucht. Die zusätzlichen Stühle im Gang der Kirche reichten nicht aus - zahlreiche Besucher mussten stehen, einige sogar auf der Treppe zur Galerie.

Wie immer schlagfertig

"Das sieht man sonst ja nur zu Weihnachten", war da auch einer der Gäste verblüfft. "Das ist heute mein letzter Auftritt, danach darf ich hier nur noch illegal reden", eröffnete der Routinier Hippe gewohnt schlagfertig seine Predigt. Unterstützung hatte er sich in der Vergangenheit ja immer von irgendwelchen Gegenständen geholt, die er mit auf die Kanzel nahm und zu Geschichten umformte. Dieses letzte Mal in Amt und Würden begleitete Berthold Hippe nun - ein Insider-Witz - eine Sanduhr. "Die hat mir mal ein Gemeindemitglied zum Geburtstag geschenkt", erzählt er - weil seine Predigten immer so lange gedauert hätten. "Siebzehn Minuten läuft dieses Modell, ich hab es nachgemessen", erfährt man. Und dann überlegt er schon mittendrin im Predigttext, wann denn die beste Zeit sei, das gute Stundenglas in Gang zu setzen und umzudrehen.

Die Aufmerksamkeit der Gemeinde hat er zu diesem Zeitpunkt bereits voll gewonnen - ein Lachen jagt das nächste. Dabei ist seine Predigt nicht trivial - geht es doch darin um den Gedanken, wann ein Christ ein Christ sei und wie er in Gottes Reich einziehen könne. Von schweren theologischen Fragen leitet er am Ende doch um auf einen ganz einfachen Merksatz. "Ich folge Jesus wie eine Klette, so hat es Luther schon gesagt", erzählt er. "Und wenn nur das von mir im Gedächtnis der Leute bleibt - Hippe, Luther, Klette - dann bin ich froh", predigt der Freund klarer Worte.

Der Abschied von der Kanzel fällt ihm dennoch schwer. Die Sanduhr ist abgelaufen, da ringt Hippe um Sekunden. "Wir haben doch WM, da gibt es auch Nachspielzeit! Die Gemeinde hat so lange gelacht, da steht mir Nachspielzeit zu!", ruft er dem Superintendenten Christian Beuchel und seinen beiden Pfarrkollegen Ronald Kleinert und dem ebenfalls schon im Ruhestand befindlichen Kakauer Pastor Hans-Christoph Schulz zu. Die lassen ihn gewähren - und Christian Beuchel fällt es dann ebenfalls nicht leicht, seinen dienstältesten Pastor im Bereich von dessen Pflichten zu entbinden. "Aber du musst nicht illegal predigen", lacht er am Ende dann doch.

Dass Hippe von den Dienstpflichten entbunden sei, müsse ihn nicht hindern, hier und dort nochmal auszuhelfen. Das hat er ja in der Vergangenheit auch schon ständig getan, zuletzt sogar noch eine Vakanz aufgefüllt.

Neues Heim neben der Mühle

Berthold Hippe bleibt den Bergwitzern erhalten. Mit seiner Frau, mit der er jetzt 39 Jahre verheiratet ist, zieht er in das kleine Haus neben der alten Bockwindmühle an der Bundesstraße. "Es wird manchmal als Problem angesehen, wenn der alte Pfarrer an seinem letzten Dienstort wohnen bleibt", aber im speziellen Bergwitzer Fall gebe es da keinen Konflikt, da die Pfarrstelle ja gestrichen werde. Der zum Sommer nachbesetzte Kemberger Pastor wird dann die Seelsorge in der Gemeinde übernehmen, Berthold Hippe ein "normales" Gemeindemitglied werden.

"Ich gehe mit einem lachenden und einem weinenden Auge, das ist ganz klar", erzählt er. Er sei zwar dankbar über die Entbindung von den Pflichten, aber "als Christ und Pfarrer ist man ja immer im Dienst, solange Gott einem Kraft dazu gibt".