Kopfschütteln in der Stadtkirche Kopfschütteln in der Stadtkirche: Führung oder nicht?
Wittenberg - Angelika Schenk versuchte gar nicht erst, ihre Empörung zu verbergen. „Das ist doch keine Führung!“, erklärte die Französischlehrerin in Anwesenheit der MZ, während sich die Schüler einer nach dem anderen aus den Bänken der Stadtkirche entfernten. Gerade noch hatte Schenk ihnen etwas über Cranach erzählt, Schöpfer des Altars und Namensgeber der Schule, die die jungen Franzosen für eine Woche im Rahmen des Austauschprogramms besuchen.
Gebührenpflichtig
Lehrerin Schenk sprach, naheliegend, Französisch, sie stand vor ihnen wie vor einer Klasse - oder eben wie eine Führerin einer Touristengruppe. Dies hatte das Aufsichtspersonal aufmerksam werden lassen. Führungen, so wurde der Lehrerin des Lucas-Cranach-Gymnasiums bedeutet, dürften nicht einfach so durchgeführt werden. In der Tat: „Führungen sind gebührenpflichtig und nur mit Einverständnis der Stadtkirchengemeinde gestattet“, warnt ein Aufsteller gleich am Eingang des Gotteshauses, das sich gern Bürgerkirche nennt.
Und: „Gruppen, die an einer Führung teilnehmen,, melden sich bitte an der Stadtkircheninformation.“ War doch gar keine Führung, sagte Angelika Schenk da noch einmal. Sie hätten sich aber an der Info-Theke anmelden müssen, beharrte Kirchmeister Bernhard Naumann, nachdem sich herausgestellt hatte, dass es sich gar nicht um irgendwelche Touristen sondern um eine heimische Schule handelt.
Und dann, fügte er hinzu, hätte man auch eine kulante Regelung gefunden. Denn eigentlich wären jetzt zusätzlich zum Rüffel auch noch 1,50 Euro pro Nase fällig gewesen, der ermäßigte Satz für Mitglieder geführter Gruppen.
Vortrag vor der Tür
Anders als die Schlosskirche, die seit 1. Dezember auch einen Eintritt von (erwachsenen) Einzelpersonen kassiert, darf die Stadtkirche derzeit von Individuen noch gratis besucht werden. Überlegungen, dies zu ändern, gibt es freilich auch hier (die MZ berichtete). Zumal Gruppen, wie es hinter vorgehaltener Hand heißt, offenbar zu sparen wissen: Der individuellen Besichtigung der Stadtkirche folgt der Führungsvortrag vor der Kirchentür...
Auf den Spagat zwischen traditionell freiem Zutritt und hohen Unterhaltungskosten für das Gebäude verwies unterdessen auf MZ-Anfrage Stadtkirchen-Pfarrer Johannes Block. „Der Grund ist nicht, die Menschen zu ärgern“, sagte er. Im Übrigen sei es „in jedem Museum so“, dass kassiert werde. Angesichts des aktuellen und vergleichbarer Fälle erklärte allerdings auch er: „Wir sind immer kulant.“
Der Besuch der 26 jungen Franzosen aus Montauban, auch eine „Stadt der Reformation“, wie Angelika Schenk betonte, in der Stadtkirche fand just an dem Tag statt, als das Luther-Melanchthon-Gymnasium dort erstmals seinen „Stadtkirchentag“ durchführte. Block selbst hatte mit Bezug darauf gegenüber der MZ erfreut von einem „Brückenschlag“ zwischen Schule und Kirche gesprochen. Bis dato, so der Pfarrer, seien Besuche von Wittenberger Schulklassen eher selten.
Klassen willkommen
Das bestätigt Jörg Bielig, Kustos des Schlosskirchenensembles und Vorsitzender des Gemeindekirchenrates der Stadtkirche. „Wir wollen als Kirche auch im lokalen Umfeld wahrgenommen werden“, sagte Bielig. Er freue sich daher über jede Schulklasse, die „Interesse an der Stadt und an der Reformation zeigt“. Entsprechend seien, wenn es um Kulanz geht, heimische Schulen besonders zu berücksichtigen. (mz)