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Konzert Konzert: René Kollo vereint Charisma und Tradition

Von michael stolle 16.04.2013, 17:20
Charaktertenor, Regisseur und Buchautor: René Kollo. Am Sonntag trat er in Wittenberg auf.
Charaktertenor, Regisseur und Buchautor: René Kollo. Am Sonntag trat er in Wittenberg auf. achim kuhn Lizenz

wittenberg/MZ - Ein Künstler wie René Kollo vereint in sich ganz verschiedene Seiten einer Persönlichkeit: eine große Musikalität, eine sichere Intonation und eine deutliche Artikulation - Grundvoraussetzungen für guten Gesang. Dazu kommt hohes Gestaltungsvermögen, das die feinen Differenzen zwischen Brust- und Kopfstimme, zwischen großem Opernton und dem feinen Sprechgesang des Chansons finden lässt. Und nicht zuletzt eine starke Bühnenpräsenz und Ausstrahlung, die immer den Kontakt zum Publikum finden lassen. Dies alles paart sich bei Kollo mit natürlichem und sympathischem Auftreten, das so gar nichts von der Attitüde großer Stars und Sternchen hat, zu erleben war das am Sonntag auch in der Phönix Theaterwelt Wittenberg.

Musikalische Vorfahren

René Kollo heißt mit Familiennamen eigentlich Kollodzieyski, was auf polnische Vorfahren schließen lässt. Sein Großvater Walter siedelte 1906 von Königsberg nach Berlin über und begann mit dem Berliner Gassenhauer „Und dann schleich ich still und leise…“ seine Karriere als Komponist, als zweiter Vertreter der Berliner Operette neben Paul Lincke. Sohn Willi Kollo begann schon mit 16 Jahren eine Laufbahn als Textautor für Chanson, Kabarett und Operette, arbeitete mit seinem Vater zusammen, komponierte schließlich selber, hatte unter den Nazis Auftrittsverbot. Er starb 1988 in West-Berlin.

Aus diesem musikalisch-literarischen Milieu stammt René Kollo, der zunächst in den 60er Jahren als Schlagersänger begann („Mary-Lou“), ab 1965 aber ins Opernfach wechselte und 35 Jahre lang als Heldentenor von Bayreuth bis Salzburg, von Berlin bis München sein Publikum begeisterte. Seitdem betätigt sich Kollo als Charaktertenor, Regisseur und Buchautor, der es auch einmal mit einem Kriminalroman versucht.

Kollos Verbindung zur „leichten Muse“ ist niemals abgerissen, das beweisen die zahlreichen Fernsehauftritte und Operetteneinspielungen von der „Schönen Helena“ bis zum „Land des Lächelns“, von „Wiener Blut“ bis zu den „Drei alten Schachteln“ seines Großvaters.

Das Konzert im Wittenberger Phönix bot einen Querschnitt durch dieses Genre, wobei die sentimentalen und bedächtigen Titel überwogen: „Auf der Heide blühn die letzten Rosen“ und „Vor meinem Vaterhaus steht eine Linde“ des Altmeisters Robert Stolz sowie Paul Linckes „Es war einmal“ wurden mit Bedächtigkeit und Altersweisheit interpretiert. Zwei Hermann-Löns-Lieder rundeten diese ruhige Stilistik ab.

Große Operettenerfahrung war zu spüren bei Franz Lehárs „Immer nur lächeln“ aus „Das Land des Lächelns“ und „Komm, Zigány“ aus Kálmáns „Gräfin Mariza“. Wenn auch die tenoralen Spitzentöne nun etwas vibratoreich sind, spürte jeder Kollos jahrzehntelange Erfahrung mit diesen Operettengestalten. Da saß jede Ausdrucksnuance. Referenzen an die großväterliche Komponistenwerkstatt boten „…immer an der Wand lang“, „Was eine Frau im Frühling träumt“ und schließlich „Das war in Schöneberg im Monat Mai“ von Walter Kollo.

Nicht ohne Pianist

Am berührendsten waren die beiden leisen Chansons des Vaters Willi Kollo: „Lieber Leierkastenmann“ – ein Berliner Nachkriegschanson – und „Ich hab eine kleine Philosophie“, das Beerdigungslied für Hans Albers. Die freundliche Moderation des Sängers bot Informationen und schuf darüber hinaus Auflockerung. Indes würde ohne einen fähigen Pianisten so ein Konzert nicht funktionieren. Der Berliner Michael Belter begleitete einfühlsam und dezent, atmete mit dem Sänger, reagierte aufmerksam auf rhythmische Freiheiten. In des Sängers Ruhepausen profilierte er sich solistisch mit kurzen Stücken von Mendelssohn, Schumann und Chopin, von denen die berühmte „Träumerei“ besonders berührte.

Schade, dass kaum mehr als etwa 150 Besucher dieses Konzert erlebten - eine einmalige Gelegenheit, einen Weltstar zu hören.