Kinderbetreuungsgesetz Kinderbetreuungsgesetz: Verwirrung um die letzten zwei Stunden
Wittenberg/MZ - Von wegen Ende des Arbeitsnachweises: Eltern, die ihre Kinder länger als acht Stunden in einem Kindergarten betreuen lassen wollen, müssen ihn, zumindest in Wittenberg, weiterhin beibringen - obwohl seit dem 1. August ein Rechtsanspruch auf „bis zu zehn Stunden“ Betreuung gesetzlich geregelt ist.
„Wir sagen, für die Umsetzung des Bildungsangebots sind acht Stunden ausreichend“, erklärt der Pressesprecher des Kreises, Ronald Gauert. Wenn der „tatsächliche Bedarf“ höher sei, solle dies „glaubhaft gemacht werden“. Das müssen laut Gauert nicht unbedingt nur Pendlerzettel sein. „Die Begründung muss schlüssig sein“, so Gauert. Und jedes Mal sei es eine Einzelfallprüfung.
Eine, die in den Kindergärten der Stadt Wittenberg nur unter Protest stattfindet. „Wir halten diese Auffassung für falsch“, sagt Bürgermeister Torsten Zugehör (parteilos). „Der Kreis macht den Regelfall zur Ausnahme“, findet Zugehör. Denn Eltern, die Vollzeit arbeiten, könnten ihre Kinder selten nach acht Stunden wieder abholen. Dass der nun im Gesetz festgeschriebene Rechtsanspruch auch noch extra begründet werden müsse, versteht man in der Stadt nicht.
Bad Schmiedeberg verzichtet
In anderen Kommunen muss man das erst gar nicht. In Bad Schmiedeberg wird darauf verzichtet. „Wir kennen unsere Eltern ja“, sagt Bürgermeister Stefan Dammhayn (CDU). Mit 22 Kindern im Söllichauer Kindergarten sei das eine überschaubare Größe, „da brauchen wir keine extra Regelung.“
Das gilt auch für Kemberg. Dort versteht man das Schreiben des Kreises sowieso etwas anders als in Wittenberg. „Es gilt für alle, die die Kita-Gebühren vom Kreis ersetzt bekommen“, erklärt Bürgermeister Torsten Seelig (CDU) seine Auffassung. Nur die müssten nachweisen, warum ihr Kind länger bleiben soll - und der Kreis deshalb die Mehrkosten im Vergleich zu den acht Stunden tragen soll.
Tatsächlich sei es nicht „im Sinne des Kindeswohls“, wenn es zehn Stunden im Kindergarten bliebe, obwohl die Eltern zu Hause ausreichend Zeit zur Betreuung hätten. So formuliert es der Sprecher des Sozialministeriums, Holger Paech. Aber: Die Regelung, Nachweise zu fordern, sei auch „in höchstem Maße elternunfreundlich“. Zumal der Gesetzgeber bewusst die „bis zu zehn Stunden“ festgeschrieben habe. „Und das heißt eben nicht: regelmäßig acht Stunden.“ Man gehe davon aus, dass Eltern mit mehr Betreuungsbedarf den auch ohne Nachweis bekommen können.
In Gräfenhainichen funktioniert das schon. „Wir fordern keinen Nachweis“, sagt Harry Rußbült (Linke), „weil das so nicht im Gesetz steht“. Wenn die Regeln für Eltern gelten, die sich die Kosten vom Kreis erstatten lassen, „halte ich sie aber für legitim“, so Rußbült.
Sozialer Status soll draußen bleiben
Bürgermeister Zugehör zweifelt. „Das wäre ja diskriminierend.“ Im Übrigen - darauf verweist Sozialministeriums-Sprecher Paech - war ja ein Ziel des Gesetzes die Frage, was und wie viel die Eltern arbeiten, aus dem Kindergarten zu verbannen. Eines sagt Paech zur Idee mit den Nachweisen klipp und klar: „So hat es der Gesetzgeber nicht gewollt.“