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Kein Leinenzwang für die «Windhunde»

Von Dirk Skrzypczak 21.11.2007, 18:01

Wittenberg/MZ. - An diesem Abend wird die Einheitsgemeinde allerdings nicht in ihrem Grundsatz zerpflückt. "Wir wollen so rationell wie möglich diskutieren", sagt Wittenbergers Oberbürgermeister Eckhard Naumann (SPD), und der Landes-Chef der Sozialdemokraten lächelt dankbar. Auch für Naumanns Stadt-Umland-Plädoyer. "Dort, wo sie sinnvoll sind, brauchen wir dezentrale Strukturen", meint der "OB".

Nun ist eine nüchterne Debatte aus Sicht der Lutherstädter auch leichter möglich als anderswo. "Schließlich gibt es für uns keinen Zwang für Eingemeindungen", referiert Frank Scheurell (CDU), der Hövelmann zu dem Informationsabend mit Vertretern der Stadt und Bürgermeistern aus umliegenden Orten eingeladen hatte. Zur Wahrheit gehöre aber auch, "dass wir unsere Urbanität nicht auf Kosten des Umlandes opfern können. Das muss den Gemeinden klar sein". Karin Dübner (Linke) hakt nach. "Wo sind für uns Anfang und Ende?" Hövelmann gibt keine direkte Antwort, "denn die können Sie nur selbst finden". Er sehe jedenfalls keine Gefahr für Wittenberg, wenn es sich "an den Rändern vergrößert". Eine Meinung äußert der ehemalige Landrat von Anhalt-Zerbst dann doch. Bei Jessen mit seinen 29 Ortsteilen sei sicher die Grenze des Machbaren erreicht.

Weit schwieriger ist die Entwicklung in der Verwaltungsgemeinschaft (VG) Elbaue-Fläming bei der anstehenden Reform, "die der Landtag hoffentlich in den nächsten Wochen auch gesetzlich untermauern wird", wie Hövelmann betont. "Heute ist nicht absehbar, wohin die Reise in dieser VG geht." Im Umkehrschluss bedeute das: "Eingemeindungen nach Wittenberg sind nur genehmigungsfähig, wenn für die anderen Orte eine leitbildgerechte Lösung bleibt." Und die liegt bei 10 000 Einwohnern.

Nun zählt die VG Elbaue-Fläming knapp über 16 500 Bürger. Spielraum für den einen oder anderen Wunsch wäre demnach vorhanden. "Für uns gilt das Windhundprinzip", sagt Hövelmann. Wer zuerst kommt, der malt zuerst. So wie offenbar die Abtsdorfer. "Wir sehen unsere Zukunft in der Stadt Wittenberg, und wir bringen eine funktionierende Infrastruktur ein", erklärt Bürgermeister Gerd Deeken in dieser Deutlichkeit doch etwas überraschend. Schließlich war er noch Anfang dieses Jahres mit der Landespolitik hart ins Gericht gegangen. Sein Amtskollege Erich Schmidt sieht Mochau ab 1. Januar 2009 als Wittenberger Stadtteil und bringt den Innenminister in Not. "Gibt es vom Land auch für die Orte, die nach Wittenberg gehen, die 20-Euro-Prämie pro Einwohner?" Hövelmann will "nichts Falsches sagen" und sichert eine Antwort in Kürze zu.

Das "Windhundprinzip" ruft Straachs Repräsentanten Klaus Eckert auf den Plan. "Wenn sich alle Orte, die heute hier vertreten sind, für Wittenberg entscheiden, dann haben wir ein Problem", rechnet der Bürgermeister vor. Was werde aus seiner Gemeinde, die noch das eine oder andere in Ordnung bringen möchte, bevor sie vor den Traualter tritt? "Das Beste wäre, Herr Innenminister, Sie legen den Windhunden Leinen an." Doch das hat Hövelmann nicht vor. Er rät Eckert, Projekte in einen Gebietsänderungsvertrag aufzunehmen.

Ganz ungeschoren kommt der Innenminister dann doch nicht davon. Auf Druck von Scheurell, Naumann und Stefan Kretschmar (Freie Wähler) will sich Hövelmann mit Umweltministerin Petra Wernicke (CDU) beraten, ob das Land per Gesetz die Entflechtung der Abwasserzweckverbände anschieben kann. "Es geht doch nicht, dass wir nach Eingemeindungen in Wittenberg mehrere Leistungserbringer mit unterschiedlichen Gebühren haben. Dieses Problem muss das Land lösen", fordert Scheurell. Zeit zum Nachdenken für den Innenminister, der sich in der kalten Nacht noch eine Zigarette ansteckt.