Kaufhaus für Bedürftige
Wittenberg/MZ. - Beim Diakonischen Werk im Kirchenkreis Wittenberg entsteht ein so genanntes soziales Kaufhaus. Auf einem Hinterhof in der Juristenstraße 12 können bedürftige Menschen ab nächster Woche preiswert Möbel und Bekleidung erwerben.
Noch erinnert in dem Zweckbau, in dem bis vor kurzem eine Orthopädiefirma ihre Werkstatt betrieben hat, nicht viel an ein Kaufhaus. Zwar werden derzeit die ersten Möbel angeliefert. Gleichwohl muss in den weiß getünchten Räumen noch einiges gemacht werden. Am Montag etwa sind ein paar Männer mit Reparatur- und Ausbesserungsarbeiten beschäftigt. Eigentlich nichts besonderes. Doch taucht gegen neun Uhr in der Früh ein Problem auf - in Gestalt eines handbreiten Schlitzes, der sich kerzengerade vom Boden bis zur Decke über eine Wand zieht. Was nun zu tun sei?, wollen die Männer von Barbara Qadduri wissen. Die Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes in Wittenberg überlegt kurz und zieht dann den Kauf von Gipskartonplatten in Erwägung, mit denen die Wand verarztet werden könnte. "Zu teuer", winkt da Christian Puppig. Er will statt dessen einen "Kabelkanal" drüberlegen.
Puppig, 30 Jahre alt und Trockenbauer ohne Aussicht auf einen Job, befindet sich seit Juni in einer zwölfmonatigen AB-Maßnahme bei Qadduri. Sie wird ihn in der künftigen Möbelabteilung beschäftigen. Da gibt es allerhand zu tun: Hier muss ein ausgeleiertes Scharnier durch ein neues ersetzt, dort frisches Furnier auf schadhafte Stellen geklebt werden. Woher er das Material für die Ausbesserungen bezieht? "Das muss gekauft werden", sagt Puppig. Man könne aber durchaus auch improvisieren. Das Mobiliar stammt ausschließlich aus Spenden, betont Barbara Qadduri. Neulich haben sie von einem Bildungsträger Tische bekommen. Die werden Puppig bald als Arbeitsbänke dienen.
Die Idee, ein soziales Kaufhaus zu eröffnen, haben Qadduri und andere Mitarbeiter beim Kirchenkreis schon länger in ihren Köpfen bewegt. Mit der Einführung von Hartz IV sei dann zusätzlicher Handlungsbedarf aufgetaucht, "weil die Leute jetzt keine einmaligen Hilfen mehr vom Sozialamt für die Anschaffung von Möbeln bekommen". Gegen eine Spende, also keineswegs umsonst, können sie sich nun bald mit allem versorgen, was ein Mensch so braucht, wenn er nicht in einer (halb)leeren Wohnung sitzen will. - In einem separaten Raum wird darüber hinaus die Kleiderkammer untergebracht. Die läuft schon seit Jahren gut. Qadduri spricht von "sehr regem Betrieb" und erklärt, dass die Zahl der Bedürftigen stetig steige, erst Recht, seit vor einem halben Jahr die Sozial- und Arbeitsmarktreform der Bundesregierung gegriffen hat. Viele derjenigen, die sich bei der Diakonie einkleiden oder mit Möbeln versorgen, sind demnach allein erziehende Mütter oder Alleinstehende, Empfänger von Arbeitslosengeld II zumal. Die Zeiten jedenfalls, in denen die Hilfesuchenden überwiegend Gestrauchelte waren oder aber Menschen, die sich beispielsweise infolge exzessiven Alkoholkonsums selbst ins soziale Abseits manövriert hatten, scheinen lange vorbei zu sein. "Die Armutsgrenze hat sich eindeutig verschoben", schildert Barbara Qadduri ihre Erfahrungen. Und weil das so ist, überlegt die couragierte Frau, die im Übrigen auch die Suppenküche und die Obdachlosenunterkunft sowie diverse Beratungsangebote managt, schon jetzt, das Angebot im sozialen Kaufhaus zu erweitern.
Unter anderem schwebt ihr vor, später auch Haushaltsgeräte mit ins Sortiment aufzunehmen. Und wenn der Betrieb "einigermaßen gut anläuft", kann sie sich sogar vorstellen, Dauerlebensmittel zum Verkauf anzubieten.