Jugendclubs in Wittenberg Jugendclubs in Wittenberg: Streetwork soll Stunden abgeben
Wittenberg - Anders als gemeinhin erwartet wird die Neuordnung der Jugendclublandschaft in der Stadt und ihren Ortsteilen auch Verlierer kennen. Dies wurde am Mittwochabend im Kulturausschuss deutlich, wo die Verwaltung, wie vom Ausschuss für seine zweite Lesung verlangt, erstmals konkretere Pläne vorlegte. Es geht um die Umverteilung der bisher verfügbaren Personalstunden und um die Neuvergabe der Trägerschaften nach Auslaufen der entsprechenden alten Verträge 2020 für fünf Jahre ab 2021.
Verlierer „nebenan“
Zu den Verlierern wird in jedem Fall der christliche Treff „nebenan“ in der Jüdenstraße zählen. Ihm sollen die 36 bisher geförderten Personalstunden komplett entzogen werden. Erklärtes Ziel der Stadt sei schließlich eine „ausgewogene und bedarfsgerechte räumliche Verteilung“, so Tim Gräbitz vom Fachbereich Bürger und Service. Zur Begründung für die Auswahl von „nebenan“ wurde dessen Nähe zum „Pferdestall“ genannt, zudem seien die „fünf bis sieben“ regelmäßigen Besucher auch schon etwas älter.
Man wolle die dort dann eingesparten Stunden lieber in die Ortsteile investieren, erklärte die zuständige Fachbereichsleiterin Julia Eichler. Sie kündigte zudem für den „Pferdestall“ an, dass sich Stadt und Kreis - in dessen alleinige Regie das Angebot bisher fällt - gemeinsam um eine Profilierung des Hauses bemühen wollen. Kritik an der Wegnahme der Stunden von „nebenan“ gab es seitens des Kulturausschusses nicht.
Auf durch die Bank heftiges Missfallen stieß demgegenüber der Vorschlag der Verwaltung, dem Jugendclub in Apollensdorf zehn der bisher 30 Personalstunden wegzunehmen und dafür der Einrichtung in Piesteritz zuzuschlagen, die dann 40 Stunden zur Verfügung hätte. Gräbitz begründete dies allein mit „statistischen Zahlen“: Lediglich 306 Menschen zwischen sieben und 21 Jahren und damit deutlich weniger potenzielle Nutzer als in „West“ (Piesteritz) leben in Apollensdorf.
Besonders stark in die Bresche für den Jugendclub in ihrem Ort warf sich erwartungsgemäß Apollensdorfs Ortsbürgermeisterin Angela Menzel (CDU). Lediglich umzuverteilen sei „nicht sehr kreativ“, monierte sie, zumal es sich bei diesem Club um „die tragendende Säule im Ort“ handele und angesichts des, Vorsicht: Ironie!, „Super-ÖPNV“ der Nachwuchs von Apollensdorf auch nicht einfach Angebote im Zentrum der Stadt nutzen könne.
Auch andere sprachen sich mit Blick auf Apollensdorf für den Erhalt „vernünftiger Strukturen“ (Dirk Hoffmann, AfD) aus - und folgten Menzels Vorschlag, beim Streetwork zu kürzen, um es für Apollensdorf bei 30 Stunden zu belassen: Zwar nicht wie zunächst vorgesehen alle 32, aber doch zehn Stunden sollen von der dritten Streetworkerstelle weggenommen werden.
Dass Streetwork, wie Florian Thomas (Linke) und Bernhard Naumann (SPD) erklärten, etwas komplett Anderes ist als die Betreuung von Jugendlichen in Clubs, schien dabei nicht allen Ausschussmitgliedern klar. Streetworker kommen an sozialen Brennpunkten zum Einsatz, also eher nicht auf dem Dorfe. Zur Wahrheit gehört andererseits auch, dass die angeblich so wichtige dritte Streetwork-Stelle in Wittenberg seit längerem vakant ist...
Letztes Wort hat der Kreis
Mit zwei Änderungsanträgen, der Kürzung um zehn Stunden beim Streetwork sowie der ebenso pauschalen wie weitreichenden Forderung, dass es keiner Einrichtung hernach schlechter gehen dürfe, gab der Kulturausschuss das Jugendclub-Konzept, das zudem eine Vergabe in Paketen für jeweils mehrere Orte vorsieht, zur Entscheidung im Stadtrat frei. Das letzte Wort hat hier übrigens der Landkreis, der wie berichtet künftig 90 Prozent der Personalkosten übernimmt.
Sonderfall Boßdorf
Unterschiedlich sind nach wie vor die Bewertungen der Situation in Boßdorf. Der dortige Jugendclub soll wie berichtet künftig von den jungen Leuten selbst verwaltet werden (außerdem ist weiterhin ein einmal wöchentliches - nicht umstrittenes - Angebot für den jüngeren Nachwuchs vorgesehen).
Während Fachbereichsleiterin Julia Eichler nach einem aktuellen Treffen mit Ortsbürgermeister Werner Matthes (CDU) erklärte, „wir haben gute Lösungsansätze gefunden“, und auch Kulturausschussvorsitzender Hoffmann seinerseits auf ein positives Gespräch in Boßdorf vor einigen Wochen verwies, erklärte einer der betroffenen Jugendlichen, Norman Langenbrink, dem im Ausschuss Rederecht eingeräumt worden war: „Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll.“ Bislang sei es - anders als Hoffmann zufolge erwartet - nicht gelungen, sich mit der für Boßdorf zuständigen Betreuerin auf eine Hausordnung zu verständigen, sagte der 18-Jährige. Die Stadt Wittenberg hat die Räume wie berichtet für die selbstständige Nutzung durch die Älteren vorübergehend geschlossen und fordert für eine neuerliche Öffnung insbesondere, dass mindestens einer der Nutzer eine so genannte Juleica, Jugendleiterkarte, erwirbt.
Dafür ist den Angaben zufolge ein zwei lange Wochenenden umfassender Kurs nötig, Angebote, so Langenbrink, gebe es derzeit aber nur im Raum Berlin und in Magdeburg, was mindestens Fahrt-, möglicherweise aber auch Übernachtungskosten verursachen würde. Eichler konterte, dass es daran bestimmt nicht scheitern werde: Die Stadt werde „alles“ zahlen. Zudem kündigte die Fachbereichsleiterin an, sich jetzt persönlich in den Fall Boßdorf einzuklinken. Damit die von Hoffmann so genannten Missverständnisse beseitigt werden, die bereits zu einer Abgehängt-Sein-Debatte geführt hatten. (mz)