Jahresrückblick März 2017 Jahresrückblick März 2017: In der Erlebniswelt "futurea"

Wittenberg - Wer beim Blick auf die Uhr in Hektik verfällt und zu schnell in die Kurve geht, verliert schon mal den Grubber. Dann zeichnen sich auf dem Acker nur noch die Reifenspuren des Traktors ab, der Boden aber bleibt unbehandelt. Das ist schlecht, schließlich soll er vorbereitet werden für die Aussaat des Winterweizens.
Dass die Probandin den Verlust des Ackergeräts zunächst noch nicht einmal bemerkt, entgeht Nanett Knak, die dem Treiben vom Rand aus zuschaut, nicht. Wie gut, dass es sich hier nur um eine Animation handelt. Draußen in der Natur, unter realen Bedingungen, wäre der Vorgang ganz dumm.
Keine Übertreibung
Knak kommt von der Securitas Fire Control + Service GmbH und Co. KG, die für den Agrofert-Konzern das Science Center „futurea“ in Wittenberg betreiben. Innerhalb von drei Jahren hat die zu Agrofert gehörende SKW Stickstoffwerke Piesteritz GmbH am Markt, Ecke Schlossstraße, zwei denkmalgeschützte Häuser in etwas verwandelt, das bei Agrofert auch Erlebniswelt genannt wird.
Und das ist nicht übertrieben: Wer sich in die Ausstellung begibt, kommt so schnell nicht wieder raus, das gilt für Kinder und Jugendliche ebenso wie für erwachsene Besucher, die sich seit Anfang März 2017 über moderne Chemie, besonders über den „Alleskönner“ Harnstoff informieren. Damals hatte das Science Center mit dem programmatischen Namen (Futur=Zukunft, Urea=Harnstoff) nämlich erstmals seine Tür geöffnet.
Seit der Eröffnung der Erlebniswelt des von Andrej Babiš gegründeten Agrofert-Konzerns im März 2017 haben (Stand 13. Dezember) 7.000 Gäste das Science Center „futurea“ in Wittenberg besucht. Dies erklärt dessen Leiterin Janina Dorn. Auf einer Ausstellungsfläche von 600 Quadratmetern über drei Etagen in historischer Bausubstanz wird mit 65 Exponaten spielerisch über moderne Chemie informiert. Der Rundgang startet vor Gemälden, die drei Wissenschaftler und Margarethe Blume, einstige Bewohnerin des Renaissancegebäudes, zeigen. Ein Gespräch der vier nimmt die Besucher mit in die Vergangenheit. Zu Hause nachgelesen werden kann es in der Broschüre „Damit der Hunger keine Chance hat“. Das Science Center bietet ein Zusatzprogramm für Lehrer, Schüler und Interessierte. Eine besondere Kooperation pflege man mit dem Lucas-Cranach-Gymnasium in Wittenberg.
Eine kleine Sonderausstellung im Science Center informiert über 100 Jahre Chemiestandort Piesteritz. Bei www.futurea.de stehen ausführliche Informationen zu der Einrichtung am Markt 25 im Netz.
Nach Auskunft von Reinhard Müller (Öffentlichkeitsarbeit und Public Relations bei SKW) hat das Unternehmen insgesamt zwölf Millionen Euro „in die Hand genommen“. Es sei auch darum gegangen, etwas gegen den Leerstand in der Innenstadt zu tun.
Gelungen ist insoweit - schon rein äußerlich - eine Aufwertung des Stadtbildes. Mit den Inhalten und der Art der Präsentation wirbt SKW aber auch für sich selbst und eine Branche, zu der nicht jeder automatisch einen Zugang findet. Zumal dann nicht, wenn man nicht direkt zu den Naturwissenschaftsaffinen gehört. Über die Vermittlung von Chemie hinaus wird der Besucher sensibilisiert für die ganz großen Probleme, etwa den Welthunger.
Wie es bei „futurea“ im Netz heißt, sei die Anzahl der hungernden Menschen inzwischen auf 815 Millionen gestiegen und es wird noch schlimmer, wenn dereinst fast zehn Milliarden Menschen auf der Erde leben. Um dann, die Rede ist vom Jahr 2050, die Menschheit ausreichend ernähren zu können, müsse die globale Getreideproduktion um 46 Prozent wachsen.
Dies erfordere einen höheren Einsatz von Nährstoffen für die Pflanzen in Form von Mineraldüngern. Hochwertige Düngemittel liefert Deutschlands größter Ammoniakhersteller und Harnstoffproduzent - SKW Piesteritz in Wittenberg.
Aus der Zeit gefallen
Wie das geht und seit wann, wo auch ansonsten in ganz alltäglichen Dingen überall Harnstoff drin steckt, wie sich die Landwirtschaft durch die Jahrhunderte verändert hat, woher unser Essen kommt, was Stickstoff mit unserem Leben zu tun hat, dies und vieles mehr erfährt man in der interaktiven Ausstellung im Science Center. Fortwährend wird der Besucher auf seinem Rundweg über mehrere Etagen zum Mitmachen und Ausprobieren eingeladen.
Das macht die Schau spannend und führt dazu, dass man leicht aus der Zeit fallen kann. „Zwei bis drei Stunden verweilen die Besucher im Schnitt“, weiß Janina Dorn. Die Soziologin ist bei SKW nicht nur für die Kindergärten, die das Unternehmen gebaut hat, verantwortlich, sondern leitet auch das Science Center. Dass sie nicht aus der Chemiebranche kommt, sei mitnichten ein Nachteil. „Es geht darum, eine Brücke zu bauen“, sagt sie.
Und der Brückenbau funktioniert - das zeigt ein Blick ins Gästebuch. Das belegen die Anekdoten, die Dorn inzwischen erzählen kann - etwa von der älteren Dame, die in den Ferien täglich mit ihren Enkeln kam. Oder von einem Oberbürgermeister aus dem Sächsischen, der in seiner Stadt eine ähnliche Einrichtung, wenn auch mit einer anderen inhaltlichen Ausrichtung, plant. An einem Regentag besuchte er das Science Center, er habe seine Kinder nicht so schnell wieder rausbekommen.
Ochsenfüße in Essig
Auch jene Schüler, die kürzlich aus Gräfenhainichen angereist sind, schauen nicht auf die Uhr. Sie lauschen Margaretha Blume, die mit ihrer Familie vor 400 Jahren tatsächlich in dem Haus am Markt gelebt hat und nun (Harry Potter lässt grüßen) von einem Gemälde zu den Besuchern spricht. Sie nehmen am Tisch der Blumes Platz und erfahren, dass es heute Ochsenfüße in Essig und Ingwer gibt - und dass der Roggen teurer wird.
Später werden sie lernen, wie viel Stickstoff sie im Körper haben oder welche Böden es gibt und was darin lebt - Regenwürmer beispielsweise, einige leibhaftige dieser Nützlinge werden in der Ausstellung gehegt und gepflegt. Die Mädchen und Jungen stehen staunend vor dem Motorblock eines Dieselfahrzeugs und erfahren etwas über AdBlue, eine Harnstofflösung von SKW, die, mal ganz simpel formuliert, die Schadstoffe aus dem Dieselkraftstoff filtert.
Ganz gleich aber, wo der Besucher sich aufhält: „Man muss selbst tätig werden“, sagt Nanett Knak, nachdem sie die eingangs erwähnte Panne bei der Ackerbestellung charmant behoben hat und am Ende des Rundgangs vor eine Fotostation führt. Man kann sich dort ablichten lassen und das Bild mitnehmen. (mz)