Exkursion besonderer Art Interpreten im Grünen: Vom zauberhaften Gesang der Vögel in Wittenberg
Von einem Klang- und Sichterlebnis am Saum der Stadt. Was Paul Dörfler von Nachtigall, Kuckuck und der Forschung erzählt.

Wittenberg/MZ. - Zu einer Exkursion der ganz besonderen Art hat der Grünen-Aktivist und Bestseller-Autor in Sachen Ornithologie Ernst Paul Dörfler am Montagabend sein interessiertes Publikum auf die Elbwiesen nahe der Lutherstadt entführt. Etwa zwei Dutzend Leute, die der Einladung gefolgt waren, freuten sich auf das vogelkundliche Klang- und Sichterlebnis am Saum der Stadt.
Schon kurz nachdem die Gruppe die B 2, auf Höhe des Altstadtbahnhofs, überquert hatte, war der zauberhafte Gesang einer Nachtigall zu vernehmen. Dazu begrüßte Dörfler in launiger Rede die Anwesenden mit den Worten „Willkommen im Konzertsaal der Natur“ und begann alsdann seine profunden Kenntnisse über den ersten „Interpreten vor Ort“ preiszugeben.
Das Weibchen wählt
Mit dem singenden Beweisgeber im Baum konnte Dörfler der Mär entgegentreten, dass die Nachtigallen nur nachts trällern. „Freifliegende Nachtigallen in Zimmern waren das Radio und TV für die Menschen in vergangenen Jahrhunderten“, erzählte der promovierte Naturwissenschaftler weiter. So war die Innenraumhaltung dieser kleinen Meistersänger damals so populär, dass die Behörden eine „Nachtigallensteuer“ erließen, um den natürlichen Bestand der Art nicht zu gefährden.
Bekannt war den Anwesenden, dass die Männchen im Wettstreit um ein Weibchen diese herrlichen Töne hervorbringen. „Das Weibchen hat das Wahlrecht, es sagt dazu ja oder nein“, ergänzte Dörfler. Und so war es an diesem Abend Cornelia Lüddemann, die den politisch-aktuellen Bezug zur bevorstehenden Wahl einbrachte. Die Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen war es auch, die den Autor und sein Publikum hier auf die Elbwiesen eingeladen hatte. Dass sie dabei mit Dörfler, der als grünes Urgestein gilt, den richtigen Partner auch für brennend beziehungsweise „hochwässernd“ aktuell-politische und weitere ökologische Themen an ihrer Seite hat, ist unzweifelhaft.
Die zweite Bühne eröffnete Dörfler dem Kuckuck, dessen Ruf tatsächlich von weitem zu vernehmen war. Der taubengroße Vogel stimmt seit jeher die Menschen auf den Frühling ein. Er stellte Cuculus canorus (lat.) als „waschechten Schmarotzer“ und „windigen Gesellen, der von Ehe und Familie nichts hält und die Diskretion liebt“ vor.
Wenn Buchkritiker dem preisgekrönten Schriftsteller oftmals auch eine zu starke Darstellung der Vogelwelt in menschlichen Metaphern vorwerfen, so zündete an diesem Abend seine Idee durchaus. Bei ornithologischen Laien funktioniert sein Konzept, über menschliche Verhaltensweisen auf pädagogische Art die der gefiederten zu erläutern. Nicht umsonst ist sein Buch über „Das Liebesleben der Vögel“ zu einem Bestseller geworden. Zur Leipziger Buchmesse in diesem Frühjahr prangte Dörflers Konterfei am Verlagsstand unter denen der Bestsellerautoren.
Des Weiteren informierte Dörfler auch über neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der Vogelforschung. So hat unlängst eine US-amerikanische Ornithologin erforscht, dass etwa 70 Prozent der Weibchen singen. Während ihre männlichen Artgenossen laut trällerten, handelt es sich wohl bei den Tönen der Weibchen eher um Flüstergesang. Dieser diene der Kommunikation mit dem Nachwuchs, noch im Ei und bei der „frühkindlichen Erziehung“ der Vogelkinder nach dem Schlüpfen. Tut sich hier tatsächlich eine echte Analogie zu menschlichen Verhaltensweisen auf? Dörfler verwies auf die über 200-jährige Geschichte der Vogelforschung als bisher eher männliche Domäne.
Glückshormone freigesetzt
Direkt am Ufer der Elbe wurde ein Fischadler beobachtet, und Freude hatten die Ausflügler am Treiben der Rauch- und Mehlschwalben. Sogar eine Singdrossel wurde entdeckt.
Wenn die Lektüre seines „Liebesleben“-Buches Glückshormone freisetzen kann, so wie der Verlag es bewirbt, dann konnte der herrliche, von Paul Dörfler so informativ geführte Spaziergang über die Wittenberger Elbwiesen das ganz sicher auch.