Im Ehehafen am Baggersee
Gräfenhainichen/MZ. - Insbesondere medial sorgt ihre Hochzeit seit mindestens einer Woche für Furore. Und als am Freitag Harald Harnisch der Chefin des Gräfenhainichener Standesamtes, Andrea Weise, voller Freude die Schlüssel für ihre neue Nebenstelle überreichte, drängten sich Vertreter von Printmedien, Funk und Fernsehen in dem Raum, von dem aus bis in die 90er Jahre hinein der gesamte Strombedarf des Tagebaus geregelt wurde (die MZ berichtete). Harnisch selbst hatte als Bergmann und Baggerfahrer seinerzeit keinen Zutritt. Heute ist er dort mit dem Ferropolis Förderverein quasi einer der Hausherren. Ein sehr umsichtiger übrigens: Lange bevor am Sonnabend das Brautpaar aus Gräfenhainichen eintrifft, ist Harnisch schon da und putzt und wienert noch einmal alles auf Hochglanz. Außerdem hat er die Heizkörper in der Schaltwarte angestellt. "Damit die Braut nicht friert", sagt er. Dieser Gefahr hat Mandy Kirstein vorgebeugt. Sie erscheint im eleganten Hosenanzug - weiß mit schwarzen Nadelstreifen, die dunkelblonden Haare hat ihr noch am Morgen ein Friseur kunstvoll hochgesteckt.
Sie strahlt und macht, als sie gegen 13.15 Uhr mit ihrem Partner dem Auto entsteigt, trotz des Rummels einen entspannten Eindruck. Heiraten wollten sie sowieso an diesem 22. April. Erst in letzter Minute, erzählt sie, nachdem sie in der Zeitung von der neuen Außenstelle gelesen hatten, wurde umdisponiert. Beide haben einst im Tagebau Golpa-Nord gelernt, was den Bezug zu dem nicht direkt romantischen Ort erklärt. Vielleicht liegt der wahre Grund für die Gelassenheit, die das Brautpaar ausstrahlt, aber auch in ihrer langen Beziehung: Immerhin sind die beiden seit 16 Jahren ein Paar. Schönster Ausdruck ihrer Gemeinsamkeit sind sicher die beiden Söhne, Erik (11) und Leon (3), die wie ihre Mutter an diesem Tag ihren Familiennamen wechseln und fortan Goldacker heißen werden. Er habe, erklärt Erik, schon einmal so unterschrieben, "als ein Paket für Papa gekommen ist". Ungewohnt sei das gewesen. Ein bisschen jedenfalls.
Der Akt der Eheschließung in der Schaltwarte unterscheidet sich in der Sache dann kaum von einer herkömmlichen Vermählung im Rathaus. Andrea Weise - grüner Rock, lindgrüne Bluse - richtet sich mit einer formellen Ansprache an das Paar. Es geht um "die rechtliche Auswirkung", die Rede ist von der "rosaroten Brille der Verliebtheit", von Nähe und Distanz. Andrea Weise hat auch Musik mitgebracht. Sie spielt "Pour Adeline" von Richard Clayderman, ein Klassiker zu Hochzeiten, wie sie weiß.
Etwa 400 Paare hat die sympathische Frau seit 1998 getraut. Im Hinblick auf Abwanderung und demographische Entwicklung in der Region sagt sie zur MZ: "Wir freuen uns über jeden, der hier heiratet." Dafür sperrt sie zu besonderen Daten sogar abends ihr Standesamt in Gräfenhainichen auf - und nun auch die alte Schaltwarte in Ferropolis. Noch halten sich die Anmeldungen dort allerdings in Grenzen. Erst im September ist die nächste Trauung am Baggersee verbindlich gebucht. Dort, am Rande der Veranstaltungsarena, posieren am Sonnabend gegen 14 Uhr die Eheleute Goldacker für die Pressefotografen. Der Schaufelradbagger im Hintergrund trägt die Nummer 1521. 30 Meter misst das Ungetüm in der Höhe, 1 700 Tonnen ist es schwer. Vor Jahren hat Dirk Goldacker auf diesem Gerät Braunkohle abgebaut. Irgendwie schließt sich nun ein Kreis.
Standesamt Gräfenhainichen, Telefon 03 49 53 / 3 57 24.
Infos zur Stadt aus Eisen im Internet: www.ferropolis.de