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Hungerstreik in Flüchtlingsunterkunft in Coswig Hungerstreik in Flüchtlingsunterkunft in Coswig: Flüchtlinge starten Hilferuf bei Facebook

Von Alexander Baumbach 18.01.2016, 19:37
Das Ex-Lehrlingswohnheim in Coswig ist Notunterkunft.
Das Ex-Lehrlingswohnheim in Coswig ist Notunterkunft. Alexander Baumbach Lizenz

Coswig - Der Eklat in der Flüchtlingsunterkunft Coswig (Kreis Wittenberg) beginnt mit einem Foto auf Facebook. Es zeigt Männer aus Syrien im Eingangsbereich des Ex-Lehrlingswohnheims. Dabei steht ein Text: „Keiner will mehr essen wegen der neuen Regeln in der Unterkunft. Einige sagen, sie fühlen sich wie im Gefängnis. Alle Leute sind aufgebracht. Alle im Hungerstreik“, steht dort in gebrochenem Englisch.

Arbeitsverbot für die Presse

Es gibt viele Regeln im Camp, dafür wenig Erklärungen und sehr viel gefühlte Willkür. Essen vom Catering darf nicht auf den Zimmern gegessen werden, Essen aus dem Supermarkt schon - Grund: Hygiene. Dafür gibt es nicht mal Schränke in den Zimmern, Wäsche lagert auf dem Boden. Besuch im Zimmer? „Wenn das einmal anfängt, dann reißt das ein. Dann ist das nachher ein Freudenhaus hier“, meint ein Sicherheitsmann. Flüchtlinge monieren, dass sie nachts durch „Kontrollgänge“ der Security geweckt würden.

Aber deswegen ein Hungerstreik? Andere Formen der Kommunikation scheinen erschöpft. Kommunikationsversagen der Kreisverwaltung kritisieren die Flüchtlinge: „Egal, mit welchem Anliegen man sich an die Betreuer wendet - die Standard-Antwort ist ,Nein’ und ,Es steht dir frei, zu gehen’“. Ein Reporter der MZ wird von den Flüchtlingen eingeladen. Bei der Ankunft verwehren ihm aber Sicherheitsleute den Zutritt. „Die Sozialarbeiter haben uns angewiesen, keine Presse hereinzulassen“, heißt es. Außerdem droht einer der Männer, die Polizei zu holen. Das Gespräch mit den Flüchtlingen findet vor dem Eingangstor statt, bei Minusgraden in Badelatschen im Schnee. Keines ihrer Probleme erscheint auf den ersten Blick unlösbar.

Ein Pressesprecher der Kreisverwaltung ist am Freitagabend, als die Probleme erstmals bekannt werden, nicht erreichbar. Auch am Samstag ruft er nicht zurück. Am Nachmittag kommt - als freiwillige Helfer und Politiker die Unterkunft in Augenschein nehmen - doch ein Gespräch zustande: Heike Schwager und Klaus Hajek, die sich in der Kreisverwaltung um die Flüchtlingsprobleme kümmern, sind vor Ort. „Wir wollen an der Kommunikation arbeiten“, erklärt Heike Schwager.

In die Diskussionen schaltet sich am Montagmorgen auch das Landesverwaltungsamt ein. „Unsere Kollegen haben sich gerade auf den Weg nach Coswig gemacht, um sich vor Ort selbst einen Eindruck zu verschaffen“, erklärt Pressesprecherin Denise Vopel. Dass die Presse am Betreten des Objekts gehindert wurde, ist für sie unverständlich. „Das wirft ja große Fragezeichen auf, und es kann nicht im Sinne der Sache sein, diese zu lassen“, erklärt sie. Kreissprecher Ronald Gauert spricht jetzt von einem „Missverständnis“. „Für die Presse gelten Regeln analog zu denen für Besucher“, erklärt er auf Nachfrage. Das heißt: Eintragung in ein Besucherbuch, Zeitlimit 22 Uhr. Die Quintessenz des Blitzbesuchs aus Halle scheint das zu bestätigen: „Die Presse darf jetzt rein“, sagt Denise Vopel.

Landratsamt lenkt doch noch ein

Scheinbar haben die erzwungenen Gespräche mit den Flüchtlingen etwas gebracht. „Ich habe die Information, dass sich keiner mehr im Hungerstreik befindet“, erklärt Gauert telefonisch. Die Flüchtlinge bestätigen das. Man dürfe auf den Zimmern essen, in den Küchenbereichen darf mit eigenen Kochplatten Essen zubereitet werden. Nächtliche Kontrollgänge fänden aber weiter statt. „Wenn es Anlässe dazu gibt“, so Gauert. (mz)