Hoffnungskirche in Wittenberg Hoffnungskirche in Wittenberg: Cohen und Schokobonbons auf der letzten Reise
Wittenberg - Ein herbstlich-kalter Novemberabend. Die kleine Hoffnungskirche am Rand der Wittenberger Altstadt ist hell erleuchtet. Drinnen eine Ausstellung zum Thema „Hoffnung für die letzte Reise“. Menschen aus Wittenberg haben Koffer mit den Dingen gepackt, die sie gerne auf ihre letzte Reise mitnehmen würden. Von Schlagsahne über besondere Verse bis hin zu Fotos von den eigenen Kindern ist vieles dabei, was zu denken gibt und neugierig macht. An anderen Stationen können Besucher Türchen zum himmlischen Jerusalem öffnen und entdecken, wie sich Menschen den Himmel vorstellen, oder ihre eigenen Gedanken zu Sterben und Tod zum Ausdruck bringen.
Ein Hallelujah
Die Kirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt - nicht nur Mitglieder der baptistischen Gemeinde sind gekommen, sondern auch viele andere Interessierte. Leise lässt der Cellist Wolfgang Prätorius Cohens „Hallelujah“ anklingen. Untermalt durch viele Bilder aus Cohens Leben erzählt er von dessen Kindheit, dem frühen Tod des Vaters und davon, wie der erst 13-jährige Leonard durch Bars und zwielichtige Viertel stromerte, die Musik und das Dichten lieben lernte - und natürlich die Frauen.
Dazwischen immer wieder Cohens Songs, mal mit Gitarrenbegleitung gesungen von Uwe Birnstein, mal von Michael Ketelaar am Keyboard. Oder von Frank Koine, einem seit 2018 in Wittenberg wirkenden Pastor und begeisterten Musiker aus Kenia.
Das Publikum erfährt von Cohens umtriebigem Leben, seinen komplizierten Liebesbeziehungen, zum Beispiel zu der blonden Norwegerin Marianne, und von seiner spirituellen Suche. Tief im Judentum verwurzelt, setzte Cohen sich doch intensiv mit Jesus auseinander, lebte eine Zeit lang als buddhistischer Mönch und interessierte sich für den Hinduismus.
Die Bibel aber blieb, neben den Frauen, eine seiner Hauptinspirationsquellen - auch für einen seiner bekanntesten Songs: „Hallelujah“. Uwe Birnstein beschreibt, auf welch faszinierende Weise Cohen in biblischen Bildern rund um König David und Simson und Delila die überwältigende Wucht der Begierde zum Ausdruck bringt, die schließlich in ein gebrochenes, verzweifeltes „Hallelujah“ mündet.
Ein letzter Brief
Bilder zeigen Leonard Cohen und Marianne im Alter. 2016 habe Cohen, der selbst an Leukämie erkrankt war, erfahren, dass seine ebenfalls leukämiekranke Geliebte und langjährige Freundin im Sterben lag, erzählt Uwe Birnstein. Sofort habe Cohen ihr einen Brief geschrieben: „Ich bin nur ein kleines Stückchen hinter dir, nah genug, um deine Hand zu nehmen. Mein alter Körper hat aufgegeben, ganz so wie es deiner getan hat und es kann nur noch Tage dauern, bis der Räumungsbescheid abgeschickt wird“, hieß es darin: „Gute Reise, alte Freundin. Wir sehen uns am Ende der Straße.“ Ein Vierteljahr nach ihrem Tod folgte Cohen ihr.
Leise stimmt das Cello wieder das „Hallelujah“ an. Der Referent spricht darüber den 150. Psalm: „… Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Halleluja!“ Zum Abschluss singen alle Cohens „Hallelujah“ mit und werden mit einem Segen in die Wittenberger Nacht entlassen.
Geschmack des Himmels
Viele bleiben aber noch eine Weile in der Kirche, schauen sich die Stationen der Ausstellung an und unterhalten sich über Cohens wenig fromm wirkendes und doch so sehr vom Glauben geprägtes Leben. Und über seine Abschiedsworte an die sterbende Marianne.
„Es hat Mut dazugehört, sein Leben so zu leben“, meint eine Besucherin. Andere überlegen, was sie selbst in den Koffer für ihre letzte Reise packen oder was sie den Zurückbleibenden gerne hinterlassen würden. Dann öffnen sie die Türchen zum „himmlischen Jerusalem“ und kosten etwas vom Geschmack des Himmels - heute schmeckt er hinter einem der Türchen nach Erdbeer- und Schokobonbons.
Wie Lindenberg
Im Begleitprogramm zur Ausstellung in der Hoffnungskirche geht es am Sonnabend, 23. November um die „Lebensweisheit“ von Udo Lindenberg: „Keine Panik“, lautet diese.
Unter dieses Motto und den Lindenberg-Titel „Hinterm Horizont geht’s weiter“ ist auch der Abend gestellt. Gestaltet wird dieser von Uwe Birnstein (Wort) und Oliver Hennig (Musik). Beginn ist um 19.30 Uhr. CNI
››Tickets gibt es unter anderem in der Wittenberg-Information.
(mz)