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Historie Wittenberger Geschäfte Historie Wittenberger Geschäfte: Launige Firmenhistorie

Von KARINA BLÜTHGEN 03.02.2016, 18:42
Tabakgeschäft, Schuhmacher - alles Geschichte. Dieses Haus Jüdenstraße 23 steht nicht mehr. Stattdessen ist an gleicher Stelle das Café Fritz.
Tabakgeschäft, Schuhmacher - alles Geschichte. Dieses Haus Jüdenstraße 23 steht nicht mehr. Stattdessen ist an gleicher Stelle das Café Fritz. klitzsch Lizenz

WITTENBERG - „Das ist keine Schwarzarbeit! Nach den Wünschen und Bestrebungen der Regierung ist es niemals Schwarzarbeit, für sich selbst in eigener Wohnung zu streichen, darum streiche selbst! Wer streicht, gibt dem Handel Umsatz, der Industrie Arbeit...“ Was, wie Thomas Glaubig schreibt, wie eine aktuelle Baumarkt-Werbung klingen mag, ist einer Werbebroschüre von Paul Thiele, bekannt als Farben-Thiele, entnommen.

1910 gegründet, besaß das Unternehmen auf der Mailandshöhe in Wittenberg eine Farbenmühle, mit der, so Glaubig, täglich eine Tonne Fertigfarbe produziert werden konnte. Später pries Thiele auch an, wie man Wanzen vertreibt und sogar für weniger als 20 Mark ein Auto lackieren kann. Alles war eine Frage der Beratung.

Spurensuche durch die Zeit

Farben-Thiele in der Jüdenstraße 4 ist nur eines von 15 Beispielen, mit denen der Autor Glaubig „Handel und Wandel in Wittenberg“ beschreibt. Folgerichtig hat er seinem neuesten Buch auch eben diesen Titel gegeben. Nach zwei Bänden Villenspiegel, in denen er die besseren Häuser der Lutherstadt beschreibt, widmet er sich nun den Geschäften, die Seifenflocken, Fleisch, Zigarren, Likör und manch anderes in einer Zeit verkaufen, als es den „Supermarkt“ noch nicht gab. Vom florierenden Einzelhandel der Kaiserzeit an bis in die DDR hinein verfolgt Glaubig die Spuren von einigen Geschäftsleuten und Unternehmen der Stadt.

Mancher blieb Einzelhändler wie Carl Traub mit Sämereien, Seiler- und Tabakwaren oder auch Fleischermeister Albert Kühnast am Markt (in dessen Räumen sich heute ein Asia-Imbiss befindet). Andere wie Kurt Schmiedicke expandierten im Laufe der Jahrzehnte beachtlich. Was 1906 mit einem einzigen Konfitürengeschäft in der Coswiger Straße begann, war 1930 bis auf 60 Geschäftsstellen gewachsen, in denen von Mokka-Bohnen bis Konfekt und Kaffee (aus eigener Rösterei) allerlei Leckereien vertrieben wurden.

Wechselvolle Hausgeschichte

Wie wechselvoll solch eine „Hausgeschichte“ sein kann, zeigt Thomas Glaubig am Haus Jüdenstraße 23 auf, das 1974 abgerissen wurde. Es ist das Grundstück auf der Spitze zwischen Jüden- und Mauerstraße (wo heute das Café Fritz ist) und gehörte 1885 Julius Voigt. 1887 wurde neu gebaut, und zwar für Buchbindermeister Wilhelm Orthmann. „Das Haus kommt in die Hände von Zeitungsverkäuferin Auguste Sachse, die es an die Stadtgemeinde Wittenberg veräußert - weil es ein Verkehrshindernis ist (und noch für weitere 51 Jahre bleiben wird)“, schreibt der Autor.

Glaubig erzählt Geschichte und Histörchen von so bekannten Namen wie Strensch, Holtzhausen und Fuhrmann, verfolgt Geschäftsverlegungen und illustriert dies mit vielen historischen Fotos, alten Etiketten oder Abbildungen aus Werbekatalogen. Die launigen, nicht zu langen Texte machen Lust auf mehr. Doch Thomas Glaubig, der im Vorfeld mit vielen Wittenbergern gesprochen hat, weiß: „Mündliche Informationen haben ebenso wie die verwendeten Bilder oft Unschärfen.“ Kritik und weitere Hinweise nimmt er daher gern an.

Eine Kritik wäre, dass es in dem Buch keinerlei Foto-Urhebernachweis gibt. Zu vernachlässigen ist andererseits, dass es bei den Örtlichkeiten ein bisschen kreuz und quer geht. Als hilfreich hätten sich jedoch für den Leser bei der Suche, wo bestimmte Hausnummern zu finden sind, kleine Bilder vom jetzigen Zustand angeboten.

Zeitraubende Recherche

In Anbetracht der Tatsache, dass die Suche nach Details in Sachen Handel und Gewerbe mehr als mühsam und zeitraubend ist, ist das Buch jedoch absolut lesens- und anschauenswert. Vielleicht dürfen sich ja die Wittenberger auch hier auf einen „Nachschlag“ in einem zweiten Band freuen. (mz)