Zopf ab für den guten Zweck Haare spenden: Zopf ab für den guten Zweck: Junges Mädchen spendet seine Haare für andere Kinder

Wittenberg - Einen fast unterarmlangen Zopf hat die Friseurin abgeschnitten. Es braucht einige Anläufe, bis der dichte Wust aus Haaren durchschnitten ist. „Erst war sie ein bisschen ängstlich, aber danach hat sie sich gefreut. Die Mama sah besorgter aus als ihre Tochter“, meint die Friseurin.
Jasmin Kudinov hat sich die langen Haare abschneiden lassen. Nicht, weil sie das nun bloß noch schulterlange Haar schöner oder praktischer findet, sondern weil sie etwas für andere Kinder tun will. Kinder wie ihren kleinen Bruder Jamil. Der war an Leukämie erkrankt. Zwei Jahre lang kämpfte der fünfjährige Wittenberger gegen die schwere Krankheit - fast die Hälfte seines Lebens verbrachte er in Behandlung. Vier Blöcke Chemotherapie; Monate voller Übelkeit, Schwäche, Haarausfall.
„Die Glatze war für Jamil total schlimm. Ich war auch geschockt, als ich ihn das erste Mal so gesehen habe“, meint Jasmin. Irgendwann zwischen den Monaten, in denen ihr Bruder immer wieder ins Krankenhaus muss, sieht sie dann eine Reportage im Fernsehen. Es geht um ein Mädchen, das nach einer Chemotherapie unter Haarausfall leidet und deswegen eine Perücke bekommt.
Haare als Hilfe
Jasmin recherchiert mit ihrer Mutter Mandy Kudinov im Internet und stößt auf die Seite des gemeinnützigen Vereins „Haarschnitt mit Herz“. Der bei Aachen ansässige Verein sammelt das Haar und verkauft es dann an einen Perückenmacher. Von dem Geld werden Menschen unterstützt, die - meist wegen einer Krebserkrankung - eine Perücke benötigen.
Direkt können die Perücken nicht aus den eingesandten Zöpfen gefertigt werden. Das liegt an der langen Fertigungszeit des Haarersatzes, erklärt der Verein. Die Fertigung einer Perücke dauere sechs bis acht Wochen - eine Chemotherapiepatientin brauche bereits nach zwei bis drei Wochen einen Haarersatz.
„Die Krankenkassen übernehmen bis zu 350 Euro für eine Perücke“, erklärt die Vorsitzende des Vereins, Angelika Körser auf MZ-Anfrage. Das sei bei Preisen von etwa 800 Euro für eine hochwertige Echthaarperücke aber für viele nicht leicht zu bezahlen. Körser war selbst an Brustkrebs erkrankt und hatte während der Therapie den Ärger vieler Patienten mit ihrem minderwertigen Haarersatz mitbekommen. Sie beschloss, zu helfen.
Über mangelnden Zuspruch für ihr ehrenamtliches Projekt könne sie sich nicht beklagen - binnen eines halben Jahres kämen auch schon einmal 22 Kilogramm Haare zusammen. Einzige Anforderung an die Zusender ist eine Mindesthaarlänge von 25 Zentimetern. „Oft sind es Schulkinder, die die Erkrankung eines Klassenkameraden miterleben“, sagt Körser. Sie rate den Anrufern dann aber immer, „noch eine Nacht drüber zu schlafen“. Denn Unglück soll ihre Aktion schließlich nicht stiften.
Egal, was die anderen sagen
Jasmin aus Wittenberg hat sich ihre Entscheidung offenbar gut überlegt. Bereits vor zwei Jahren - als es Jamil noch bedeutend schlechter ging - ließ sie sich ihre Haare abschneiden, die ihr über den ganzen Rücken reichten. Heute ist Jamil von seiner Krebserkrankung genesen - trotzdem entschloss sie sich Freitag zum erneuten „Zopf-ab“. „Es ist mir ein bisschen schwer gefallen, aber dann freuen sich andere Kinder und das ist es mir wert“, meint sie. Da sei es ihr auch egal gewesen, dass einige Klassenkameradinnen irritiert geschaut hätten. Ihre beste Freundin habe die neue Frisur gut gefunden - und das zähle ja schließlich.
Ans Aufhören denkt sie auch nicht - sobald die Haare lang genug sind, will sie sie wieder abschneiden und einschicken. „Für die, denen es nicht so gut geht.“
(mz)
