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Grünkohl trotz(t) Finanzkrise

28.10.2008, 18:50

GRÄFENHAINICHEN/MZ/MK. - Mit solchen war freilich gerechnet worden. Schließlich ist jedem Unternehmer klar, dass die Finanzkrise eine direkte Bedrohung ist. Da wurde dann auch im Vorfeld von Ralf Fincke kein besonders rosiges Resümee erwartet. Und der Leiter der Firmenkundenbetreuung bei der Sparkasse Wittenberg versuchte sich dann auch keineswegs in Euphemismen. "Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist im Juli erstmals seit 2004 wieder gestiegen", formulierte er und führte fort: "Die Rezession wird uns treffen. Das bedeutet mehr Arbeitslose und Probleme vor allem für international tätige Unternehmen." Er persönlich rechne noch mit "ein bis zwei schweren Jahren". Das freilich hat seine Gründe. Der Fachmann kennt sie genau und versuchte einen groben und allgemein verständlichen Abriss. Besonders der Kampf um Kunden habe bei Banken häufig zu Risikogeschäften geführt. 2004 wurde dann in den USA erstmals Inflationsgefahr gemeldet. In der Folge stiegen die Zinsen. "Das war eine Kettenreaktion", so Fincke, "deren Folge eine Vertrauenskrise ist."

Die Bundesregierung versuche, erklärte der Banker, durch eine Bürgschaft in Höhe von 480,5 Milliarden Euro zu retten, was zu retten ist. Mit einer Inanspruchnahme von insgesamt fünf Prozent werde dabei derzeit gerechnet. Der Ausgang der Misere scheint aber dennoch nicht klar. Auch Fincke konnte wenig Verlässliches sagen. Zumindest in Bezug auf den internationalen Markt wollte er sich nicht in die Pflicht nehmen lassen. Für sein Institut hingegen musste er es und wollte das offenbar auch. Als sich Metallbauer Günter Dobritzsch nach der Sicherheit seiner Einlagen erkundigte, ergriff das Vorstandsmitglied die Gelegenheit und stellte klar: "Gesetzlich vorgeschrieben sind 20 000 Euro. Bei der Sparkasse gibt es aber eine Sicherung in unbegrenzter Höhe."

"Was passiert eigentlich, wenn es trotz des Rettungspaketes neue Probleme gibt?", wollte Mittelstands-Regionalverbandsvorsitzender Harald Kremer wissen. "Müsste es da nicht vielleicht" führte Kremer fort, "ein Kontrollorgan für Leute geben, die mit Geld arbeiten, das ihnen nicht gehört?" Fincke wollte nicht widersprechen. Viele Fragen taten sich so im Laufe des Abends auf. Und die Verunsicherung der Geschäftsleute der Heidestadt wurde offensichtlich. "Es hat sich gezeigt", fasste Harald Müller zusammen, "dass die Finanzwirtschaft ein Eigenleben geführt hat." Ein Eigenleben, dessen Folgen für keinen - weder für die Mittelständler noch für Fincke - absehbar sind. Wie schön, dass es in Zeiten des Wandels Konstanten gibt, auf die man sich verlassen kann. Das alljährliche Grünkohlessen zum Beispiel.