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Größte Krippe hat jetzt ihre erste Figur

Von THOMAS ALTMANN 31.08.2009, 17:56

POLENZKO/MZ. - Am vergangenen Sonnabend zog Josef in Polenzko (Anhalt-Bitterfeld) ein, auf einem Hänger liegend, eingehüllt in eine graue Plastikfolie. Der Zimmermann aus Nazareth misst drei Meter Lindenholz. Er ist die erste Figur des weihnachtlichen Personals, welches nach Superlativen greift. Sukzessiv soll in der spätromanischen Feldsteinkirche die größte Weihnachtskrippe Deutschlands entstehen.

Die Weinberggemeinde Garitz, zu der fünf im Jahr 2007 fusionierte Gemeinden und vier Kirchen gehören, begann in Polenzko das Konzept der "Themenkirchen". Die zentrale Garitzer Kirche wird regelmäßig für Gottesdienste genutzt. Die anderen drei Kirchen sollen kirchlichen Festen gewidmet und ganzjährig geöffnet werden. Neben der "Weihnachtskirche" könnten die Kirchen in Trüben und in Kleinleitzkau einmal Ostern und Erntedank thematisieren. Und vielleicht werde Garitz ja auch zur "Pfingstkirche", sagt Thomas Meyer, Pfarrer an St. Trinitatis - St. Nicolai in Zerbst und, neben anderen, der Weinberggemeinde.

Unentwegt sucht er offenbar nach "neuen Zeichen für alte Kirchen". Die Kirche in Luso dient bereits als "Ruhestätte" für ausgediente Gesangbücher und Bibeln. "Wir bepredigen die Menschen nur", sagt Meyer. Mit den Themenkirchen werde nun ein anderer natürlicher und anschaulicher Zugang gesucht. Zudem gehe es darum, gemeinsam mit der Stiftung "Entschlossene Kirchen" Aufmerksamkeit für die Baudenkmäler zu wecken. Auch der spätromanische Feldsteinbau in Polenzko, der 1884 neoromaisch überformt wurde, muss saniert werden. Die Dachkonstruktion ist von Holzwürmern befallen.

Die Freiwillige Feuerwehr Garitz fährt auf den Kirchhof. Josef wird vom Hänger gerollt und posiert zunächst einmal für den Fototermin vor der Kirche. Der Körper ist unbehauen. Wie aus dem Herzen gewachsen, beten die Hände. Das lange Gesicht trägt zeitlose Langmut. Horst Sommer, ein pensionierter Mathematiklehrer aus Zerbst, hat den Stamm behauen. Unentgeltlich wird Sommer auch weiterhin arbeiten.

Dann liegt Josef wieder auf dem Wagen; dann bricht ein Wagenrad; dann tragen die Kameraden den hölzernen Zimmermann auf Stangen in die Kirche und Meyer spricht über die Weihnachtsgeschichte, die als familiäre Leidensgeschichte begonnen und als Segengeschichte geendet habe. Die allgemeine, sprich katholische Kirche, hätte, so Meyer, sicher mit Maria begonnen. Nun trete ein Mann aus dem Schatten seiner Frau, ein Mann, der nicht abgehauen sei. Schließlich stellt er zum Zeichen der Keuschheit eine weiße Lilie vor den Zimmermann und sagt: "Komisch - bei einem Mann."

Ullrich Hahn, Vorsitzender des Gemeindekirchenrates, verrät vor dem Sekt die Dramaturgie der Entstehung. Maria soll am 1. Advent in die Kirche einziehen und am Heiligen Abend das Christkind. Hahn hofft, dass die Weihnachtskrippe auch ein Stück Enttäuschung darüber nehme, dass es in der Weinberggemeinde nur noch eine zentrale Christvesper gebe. Da könnte es eng werden im Kirchenschiff, aber auch im Chor vor dem Firmament in der Apsis. Die Hirten werden noch folgen, Ochs und Esel und die Heiligen Drei Könige, letztere vielleicht 2011.