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Garagenkomplexe in Wittenberg Garagenkomplexe in Wittenberg: Die Abstellanlagen verwahrlosen

Von irina Steinmann 23.07.2014, 08:08
Da gehört er eigentlich nicht hin - Trabi auf dem Dach einer Garage in der Anlage Tschaikowskistraße.
Da gehört er eigentlich nicht hin - Trabi auf dem Dach einer Garage in der Anlage Tschaikowskistraße. achim kuhn Lizenz

wittenberg/MZ - Damit mal klar ist, wer in der Anlage Herr im Hause ist: „Wenn ihr hier Fotos macht...“ Es folgt eine unverhohlene Drohung. Die beiden Schrauber wollen offenkundig nicht gestört werden. Die Sonne knallt auf den „Garagenkomplex Tschaikowskistraße“, verkommendes Terrain am Rand der Lutherstadt.

Auf dem Dach einer der Garagen steht ein ausrangierter Trabi, in dieser Umgebung ein geradezu heiterer Kontrapunkt zu der Pkw-Leiche vor den Garagen der beiden Bastler, die sich inzwischen offenbar wieder beruhigt haben und ihrer Beschäftigung nachgehen.

Tschaikowski geht noch, heißt es bei der Wittenberger Gesellschaft für Wohneigentum mbH (Wigewe). Eine Frage des Vergleichs: Das kommunale Unternehmen verwaltet diesen und einen weiteren Garagenkomplex, „Maxim Gorki“.

Zündler am Werk

Der gilt als „Brennpunkt“, und das darf man wörtlich nehmen: Allein fürs vergangene Wochenende meldete die Polizei drei Brände dort. Es brannte Müll in und an offenen Garagen, von dem es in der Anlage reichlich gibt. Zwischen den Zeilen zeigt sich an diesem knallheißen Vormittag keine Menschenseele, wucherndes Grün deutet aber darauf hin, dass viele Garagen nicht mehr normal genutzt werden.

Die „Gorki-“Garagen sind Garagen auf Abruf. Wer hier noch sein Auto parkt oder sonstwas macht, hat sein Tor mit modernem Schloss oder mehreren Vorhängeschlössern gesichert - Einbrüche sind neben den Bränden ein weiteres nicht seltenes Delikt im städtebaulichen Niemandsland. Auf dem Dach einer offenbar noch genutzten Garage sitzt eine Figur, ein Räuchermännchen oder Nussknacker aus Holz und Stoff, die Einöde bringt surreale Bilder hervor.

Vor knapp anderthalb Jahren hatte die Stadtverwaltung wie berichtet angekündigt, den Garagenkomplex „Maxim Gorki“ komplett abreißen zu lassen, Nutzer sollten etwa zu „Tschaikowski“ umziehen. An diesem Vorhaben halte man auch fest, erklärte jetzt auf Anfrage Stadt-Sprecherin Karina Austermann.

Auf Seite 2: Wie die Verhandlungen mit den Garagenbesitzern läuft.

Verwirklicht werden könne das Abrissprojekt aber nur „schrittweise“, da mit jedem Nutzer einzeln verhandelt und ein Ersatzangebot gefunden werden muss. Ein Erbe aus DDR-Zeit: Es handelt sich um Eigentumsgaragen, aber auf fremdem - städtischem - Boden.

Diese Verhandlungen mit den einzelnen Nutzern führt die Wigewe und das ist offenbar kein ganz leichtes Geschäft. „Man kann nicht jedem anbieten, was er gerne hätte“, räumt Objektverwalter Christoph Prusak ein. Außerdem richte sich der Fortschritt nach den je zur Verfügung stehenden Mitteln. Soviel aber stehe fest: „Mindestens 59 Garagen“ werden 2014 fallen.

Mehrfache Abrisse in den Vorjahren

Abrisse hatte es schon in den Vorjahren mehrfach gegeben, 2011 etwa waren es laut Stadt-Sprecherin Austermann 34. Die Natur, die schon jetzt hie und da nach der Anlage greift, wird sich am Ende auf dem Terrain der Maxim-Gorki-Garagen übrigens wohl durchsetzen: Nach Auskunft der Stadtverwaltung sollen hier die Ersatzpflanzungen für jene Vegetation stattfinden, die den Gewächshausanlagen im Westen der Stadt weichen musste.

Wer den Abriss übernehmen soll, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

In einem „städtebaulichen Vertrag“, der Vereinbarungen zwischen Kommune und privatem Bauherrn fixiert, solle vereinbart werden, dass der Tomaten-Produzent auch den Abriss übernimmt, so Austermann. Darüber gebe es „Gespräche“ mit Investorenvertreter Helmut Rehhahn. Nach Eile klingt das nicht.

„Das ist uns nicht egal“, beteuert allerdings die Stadt-Sprecherin mit Blick auf Zustand und Situation zwischen den Garagenreihen, allen voran die „Vermüllung“. Die Tonnen von Unrat wegzuschaffen wird übrigens laut Prusak Aufgabe der Wigewe sein. Einen Termin für den Abschluss des Abrisses im Garagenkomplex „Maxim Gorki“ kann die Stadt Austermann zufolge derzeit allerdings noch nicht nennen.

Verfall als Kunst

Während die einen deren Verschwinden kaum erwarten können (und andere dort ungestört sein wollen) werden die Garagen unversehens zu - Kunst: 2013 machte die in Wittenberg geborene Künstlerin Ulrike Hannemann sie zum Gegenstand eines Fotoprojekts. „617 Garagen“ heißt ihr Werk, von dem man sich im Internet einen Eindruck verschaffen kann. Es zeigt Spuren von gestern, die hineinragen ins Heute.

Randvoll - eine der „Gorki“-Garagen
Randvoll - eine der „Gorki“-Garagen
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Ein Müllhaufen bei „Tschaikowski“.
Ein Müllhaufen bei „Tschaikowski“.
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