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Fronleichnamskapelle  Fronleichnamskapelle : Beliebter Handelsort für Töpferwaren

Von Irina Steinmann 15.07.2016, 12:55

Wittenberg - Seit einer Woche ist die Fronleichnamskapelle auf dem Wittenberger Kirchplatz eingerüstet. Sie soll wie berichtet noch in diesem Jahr grundlegend saniert werden. Was möglicherweise nicht allgemein bekannt ist, ist, dass an dem kleinen Gotteshaus von 1456 auch der Handelsplatz für Töpferwaren in der Lutherstadt war.

In den äußeren Nischen des Gebäudes waren so genannte Töpferkammern eingebaut. Die Anbauten in Fachwerktechnik brachten der Kirche Standmiete ein, zu zahlen waren zwei Taler pro Jahr. Um Standortvor- bzw. -nachteile auszugleichen, galt eine Art Rotationssystem: Alle drei Monate wurde rund um die Kapelle gewechselt, wobei die Töpferkammer direkt gegenüber der Stadtkirche die beliebteste gewesen sein dürfte.

Manch einem Töpfer reichte freilich auch das nicht. Aus dem Jahr 1778 ist eine Beschwerde des damaligen Superintendenten überliefert, wonach einer der Händler seine Töpferwaren lieber auf dem - mutmaßlich stärker frequentierten - Marktplatz feilbot. Vorausgegangen sein soll ein Streit unter den Töpfern. Der Abweichler, ein gewisser Ostmann, musste jedenfalls fünf Taler Strafe zahlen.

Der Fall Ostmann war Anlass genug für einen Erlass des Kurfürsten, der 1780 damit bekräftigte, dass die Töpfer auf dem Kirchplatz zu stehen haben - wie schon seit der Zeit der Reformation. Für die MZ ausgegraben hat die Fundsache der Leiter der Städtischen Sammlungen, Andreas Wurda.

Nach einer Zeichnung aus dem 18. Jahrhundert gab es rund um das Kirchlein insgesamt acht Kammern, und zwar auf der Süd- und auf der Ostseite, wobei eine der größeren um die Ecke auch ein Stück gen Norden reicht. Das Blatt von 1758 befindet sich - wie ähnliche Zeichnungen ganzer Stadtviertel - in den so genannten Urbarien im Bestand der Städtischen Sammlungen, dicke Bände, in denen wichtige Angelegenheiten der Stadt wie etwa insbesondere Rechtsverhältnisse niedergelegt sind.

Bis wann die Töpferkammern Bestand hatten, sei ihm nicht bekannt, sagte Wurda. Im 19. Jahrhundert fanden an der Fronleichnamskapelle allerdings umfassende Umbaumaßnahmen statt. Verschwunden sind heute auch die beiden Begräbnisgewölbe auf der Westseite des Kirchleins. (mz)