1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Freizeit : Freizeit : Verrückt nach Drachen

Freizeit  Freizeit : Verrückt nach Drachen

Von Corinna Nitz 11.02.2019, 17:26
Uwe Klimke leitet die Abteilung Drachenflug beim SV Leibnizdruck Gräfenhainichen. Er ist Freddie-Mercury-Fan, wie man sieht.
Uwe Klimke leitet die Abteilung Drachenflug beim SV Leibnizdruck Gräfenhainichen. Er ist Freddie-Mercury-Fan, wie man sieht. Thomas Klitzsch

Gräfenhainichen - Dass Drachen (Achtung: der Drache) zum Beispiel Schätze bewachen, gehört ins Reich der Mythologie. Dass Drachen (Achtung: Lenkdrachen) im Hier und Heute schon mal selbst zum Schatz werden, ist real, etwa bei den Klimkes in Gräfenhainichen. „Über 100“ sind es, sagt Uwe Klimke, die er und seine Frau inzwischen besitzen, viele selbst gebaut.

Dass sich die Beträge schon beim Materialeinsatz läppern, lässt sich denken, von der Arbeitsleistung ganz zu schweigen. Der Mehrwert im übertragenen Sinn scheint ungleich größer, sonst würden wohl nicht auch Sohn und Schwiegertochter mitmachen. Für Uwe Klimke selbst geht es zudem um Entspannung und die Möglichkeit abzuschalten: „Nach einem anstrengenden Arbeitstag“, sagt der Inhaber eines Ingenieurbüros, gehe er oft noch raus und lässt den „Kopf frei fliegen“.

Das wird musikalisch

Am Wochenende fliegt erst mal nichts. Da sind Klimke, seines Zeichens Abteilungsleiter Drachenflugsport (auch „Ready to Fly - Wittenberg“ genannt) beim SV Leibnizdruck Gräfenhainichen, und etliche Vereinsmitglieder in der Turnhalle an der Lindenallee vor allem damit beschäftigt, neue Drachen zu kreieren. Denn nach einem Jahr Unterbrechung wegen der großen Trockenheit 2018 soll es 2019 wieder ein Drachenfest auf den Elbwiesen bei Wittenberg geben (siehe „Ein Engel geht in die Luft“). Das Motto diesmal lautet „Musik f-liegt in der Luft“.

Die Frauen und Männer vom SV, die nicht nur aus Gräfenhainichen und Wittenberg, sondern unter anderem auch aus Berlin, Leipzig und Lichterfelde kommen, setzen das Thema in unterschiedlicher Weise ins Bild. Thomas Schmid zum Beispiel arbeitet an den Porträts von Rock- und Pop-Ikonen wie Mick Jagger, Jimmy Hendrix, Elvis Presley und Michael Jackson.

Der langjährige MZ-Fotograf Achim Kuhn, der früher nur dienstlich bei den Drachenfesten war und seit etlichen Jahren selbst aktiv ist, wiederum will für das bevorstehende Fest Louis „Satchmo“ Armstrong mit Trompete aufs Tuch bannen. Eins ist allen gemeinsam: Sie kleben, schneiden und nähen, was das Zeug hält, Maschinen surren, Nadelkissen wandern, denn man hilft sich gegenseitig, logisch.

Ansonsten lässt sich an der Wahl der Motive freilich gut der jeweilige Musikgeschmack ablesen. Nicht gekleckert, sondern geklotzt hat insoweit Uwe Klimke: Der Freddy-Mercury-Fan zeigt den 1991 verstorbenen Frontmann von „Queen“ in Lebensgröße und vier Farben auf einem 2,40 Meter hohen und 1,45 Meter breiten Edo-Drachen.

Hier nun kommt man ums Fachliche nicht mehr drumherum. Denn selbst dem Laien wird blitzfix klar, dass diese Drachen-fliegerei mit Kinderspaß so wenig zu tun hat wie zum Beispiel eine kostspielige Märklin-Eisenbahnsammlung als Zeitvertreib für die lieben Kleinen dient. Hier wie dort handelt es sich um eine eigene Welt mit eigener Sprache, welche bei den Drachenfans zusätzlich exotisch wirkt, weil der Sport seine Wurzeln in Fernost hat.

Edo beispielsweise sei die frühere Bezeichnung der japanischen Metropole Tokio und der Edo Kaku die bekannteste rechteckige Form eines Drachens. Klimke kann einiges über Bauweisen erzählen und das bevorzugte Material, es geht um Gewichtsklassen (etwa bei Ein-Linern oder Lenkdrachen) und die länge der Strippen, an denen so ein Wunderwerk später hängt.

500 Meter über Grund

Apropos: Weil in Deutschland so ziemlich alles geregelt ist, kann natürlich auch ein Drachenfest nicht einfach so stattfinden. Von etlichen weiteren Vorschriften abgesehen, muss Klimke vor jeder Veranstaltung eine Aufstiegserlaubnis beantragen. Die liege bei 500 Metern „über Grund“, wobei die Drachen „nur“ 100 Meter weit in die Luft gehen dürfen.

Der Oberdrachen-Fan kann noch manches erzählen, von Figuren, die geflogen werden und vor allem wie. Oder von Rokaku-Kämpfen, wie sie mit sechseckigen Drachen auch schon auf der Elbwiese ausgetragen wurden. Und er erinnert sich, dass, als er Anfang der 2000er Jahre im SV Leibnizdruck die Gründung einer Drachenflug-Abteilung vorschlug, gefragt wurde, ob das überhaupt Sport sei. Na aber!

Was es vor allem ist? „Ein Familien-Hobby“, sagen die Wittenberger Christa-Maria und Gerhard Koch zur MZ und: „Man ist an der frischen Luft und lernt viele neue Leute kennen.“ (mz)