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Flüchtlinge in Coswig Flüchtlinge in Coswig: Mangel an Erklärungen führt zu Eskalation

Von Alexander Baumbach 17.01.2016, 15:35
Das ehemalige Lehrlingswohnheim in Coswig wird als Not-/Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge genutzt.
Das ehemalige Lehrlingswohnheim in Coswig wird als Not-/Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge genutzt. Baumbach Lizenz

Coswig - Die Situation ist - wieder einmal - eskaliert zwischen Flüchtlingen im Landkreis Wittenberg und der Kreisverwaltung. Lange Zeit waren kaum Informationen nach außen gedrungen aus der Gemeinschaftsunterkunft im ehemaligen Coswiger Lehrlingswohnheim, am Freitagabend dann ist die Aufregung um so größer. Die Rede ist von einem Hungerstreik, Asylbewerber fühlen sich drangsaliert „wie in einem Gefängnis“.

Die Probleme, die die Asylsuchenden aus Syrien ansprechen, erscheinen auf den ersten Blick nicht unlösbar. Es geht darum, dass man kaum Kontakt zu deutschen Helfern habe, weil diese das Camp nicht betreten dürften. „Ich kritisiere das, und es ist auch nicht haltbar, den Leuten vorzuschreiben, wer rein- und wer rausgelassen werden darf. Eine Gemeinschaftsunterkunft bedeutet nicht, dass die Flüchtlinge da drin kaserniert sind“, erklärt Jörg Schindler, Fraktionsvorsitzender der Linken im Kreistag. Heike Schwager von der Wittenberger Ausländerbehörde will hier die Kommunikation verbessern. „Wir werden es regeln, es mit den Betroffenen besprechen und erklären, warum wir gewisse Dinge nicht auf den Zimmern akzeptieren, etwa Damenbesuch. Kasernierung ist es nicht, sie können raus. Die Tür ist offen in beide Richtungen“, sagt sie. Warum bei Besuchen überhaupt Einschränkungen gemacht werden, will oder kann nicht erklärt werden. „Wenn das einmal anfängt, dann reißt das ein. Dann ist das nachher ein Freudenhaus hier“, meint ein Sicherheitsmann. Eine rechtliche Grundlage für die Einschränkung kann er nicht nennen.

Reinhild Hugenroth (Grüne) kritisiert das beim Besuch am Sonnabend im Camp. „Man muss da sehr, sehr genau hinsehen, was der Wachdienst für Aufgaben hat. Das ist kein adäquat ausgebildetes Personal. Die machen die Regeln nicht“, erklärt das Kreistagsmitglied. Es gibt viele Regeln, wenig Erklärungen - selbst gekauftes Essen auf den Zimmern ist erlaubt, Essen vom Verpflegungsdienst darf nicht mit in die Räume genommen werden. Nächtliche Kontrollbesuche auf den Zimmern durch das Sicherheitspersonal werden zudem kritisiert. Vor allem aber geht es immer wieder um den Ton, der die Musik macht. „Egal, mit welchem Anliegen man sich an die Betreuer wendet - die Standard-Antwort ist ,Nein’ und ,Es steht dir frei, zu gehen’“, erklärt einer der Flüchtlinge. Auch da ist Reinhild Hugenroth inhaltlich bei den Flüchtlingen: „Wir müssen versuchen, neue Kommunikation einzuführen, da reden wir über Beschwerde und Freiwilligen-Management“, sagt sie.

Immerhin ein Vorwurf der Flüchtlinge sei völlig haltlos. Bei ehrenamtlichen Helfern hatten sich am Freitagabend einige darüber beschwert, dass Schweinefleisch als Huhn serviert worden sei. „Das ist definitiv nicht an dem, wir können das nachweisen. Es gibt kein Schweinefleisch“, erklärt Heike Schwager am Sonnabend. Ein falsch verstandener Witz soll die Ursache für das Missverständnis sein. Die Qualität der Verpflegung wird von den Flüchtlingen gelobt - dennoch würden sie gern selber kochen. Selbst gekaufte Kochplatten untersagt die Verwaltung allerdings in dem Gebäude aus Brandschutz- und Hygienegründen. „In absehbarer Zeit werden aber Kochmöglichkeiten auf jeder Etage vorhanden sein. Das geht nur einfach zeitlich nicht schneller“, versichert Klaus Hajek, langjähriger Vize-Landrat, der aus dem Ruhestand zurückgekehrt ist, um die Kreisverwaltung bei der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik zu unterstützen, am Sonnabend.

Am Freitagabend wurde der Mitteldeutschen Zeitung ein Betreten der Unterkunft vom Sicherheitspersonal untersagt. „Die Sozialarbeiter haben uns angewiesen, keine Presse hereinzulassen“, erklärt ein Sicherheitsmann, der auch damit droht, die Polizei zu verständigen. „Kommunikation ist eine schwere Geschichte. Wir haben es nicht bis zu Ende besprochen, was wir hier wollen“, erklärt am Sonnabend Heike Schwager zu dem Vorfall. „Dass Presse hier nicht rein kann, ist kein Grundsatz. Was die erfahren wollen, erfahren sie so oder so. Wir müssen auch überlegen, was wir in puncto Pressemanagement anders machen“, sekundiert ihr Klaus Hajek. Nach Informationen der Mitteldeutschen Zeitung wird auch am Sonntag der Hungerstreik fortgesetzt. (mz)

Protest vor dem Flüchtlingsheim in Coswig am Freitagabend
Protest vor dem Flüchtlingsheim in Coswig am Freitagabend
Baumbach Lizenz