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Flüchtlinge Flüchtlinge: Helfer laufen sich warm

Von marcel duclaud 10.09.2015, 08:22
Am Donnerstagabend versammelten sich im Volkspark Piesteritz 84 Menschen, um den Kontakt zwischen Einheimischen und Migranten herzustellen, zu verteifen und einfach ungezwungen miteinander ins Gespräch zu kommen.
Am Donnerstagabend versammelten sich im Volkspark Piesteritz 84 Menschen, um den Kontakt zwischen Einheimischen und Migranten herzustellen, zu verteifen und einfach ungezwungen miteinander ins Gespräch zu kommen. Baumbach Lizenz

wittenberg - Die Aufnahme Tausender Flüchtlinge ist eine riesige Herausforderung - auf die eine wache Zivilgesellschaft in weiten Teilen der Republik mit einem erstaunlichen Maß an Hilfsbereitschaft reagiert. Sie korrigiert damit teilweise Versäumnisse offenkundig überforderter Behörden.

Auch in Wittenberg sortiert sich die Unterstützung jenseits von Verwaltungshandeln allmählich. Da ist etwa der Nachbarschaftstreff in West zu nennen, der sich seit Monaten bereits um konkrete Hilfen kümmert, um Sprachpatenschaften oder Fahrräder für Flüchtlinge. Es gab ein spontanes, über Facebook organisiertes Kennenlernfest im Piesteritzer Volkspark oder die Initiative der Verkehrswacht Oranienbaum, Asylbewerber in Sachen Verkehrssicherheit zu schulen (die MZ berichtete). Die Christdemokraten haben ihre Geschäftsstelle in der Jüdenstraße zur Spendensammelstelle umfunktioniert. Sachspenden sind willkommen, insbesondere Spielzeug, Kinderkleidung, Hygieneartikel. „Es ist nicht so, dass hier Schlangen stehen würden“, bemerkt Kreisgeschäftsführer Christian Tylsch. Aber im Halbstundentakt klingele es am Telefon oder an der Tür. Volle Tüten werden abgegeben oder Angebote wie folgendes unterbreitet: „Ich gehe in der Mittagspause mal schnell in die Drogerie und kaufe ein für die Flüchtlinge.“ Die Hilfsbereitschaft, weiß Tylsch, sei immens - ihr müssen aber Wege geebnet werden. „Da dürfen keine bürokratischen Hürden hinderlich sein.“ Wenn die erste Autoladung zusammen ist, werden die Spenden übergeben.

Wer spenden möchte, um Flüchtlingen zu helfen, hat zahlreiche Möglichkeiten. Es gibt zum Beispiel die Aktion Deutschland hilft, ein Bündnis großer Hilfsorganisationen. Spenden kommen in- und ausländischen Hilfsprojekten zugute. Stichwort: Hilfe für Flüchtlinge, IBAN DE62 3702 0500 0000 1020 30, BIC: BFSWDE33XXX, Hotline: 0900/55 10 20 30.

Sachspenden sammelt neben anderen die Kreisgeschäftsstelle der CDU in Wittenberg, Jüdenstraße 29. Zwischen 9 und 16 Uhr ist das Büro besetzt, außerhalb der Zeiten nach Vereinbarung unter Tel. 03491/40 24 16. Willkommen sind Spielzeug und Kinderkleidung, auch Hygieneartikel von Zahnpasta bis hin zu Monatsbinden werden benötigt. (mac)

Nicht zuletzt die Kirchengemeinden laufen sich langsam warm. Ein Aufruf zu Sachspenden werde in Kürze auf die Homepage des Kirchenkreises gestellt, sagt Superintendent Christian Beuchel. Koordiniert werden soll die Spendensammlung für Flüchtlinge über das Soziale Kaufhaus der Diakonie in der Juristenstraße: „Die haben das Know How“. Zudem werde Ausschau nach Wohnungen gehalten, die dem Landkreis angeboten werden können. „Wir haben unsere Gemeindeglieder gebeten, das ebenfalls zu tun“, sagt Beuchel. Die Bereitschaft bestehe, allerdings, räumt der Superintendent ein, spiele da eine gewisse Angst vor möglichen rechten Übergriffen eine Rolle. Die evangelische Kirche ist nach Beuchels Worten überdies auf der Suche nach Menschen, die als Lotsen fungieren, den Flüchtlingen bei Behördengängen etwa beistehen. Nicht zuletzt werden Ehrenamtliche gesucht, die bereit sind, Deutschunterricht zu geben als Integrations-Voraussetzung: „Räume dafür haben wir genug.“

Auch die katholische Kirche vor Ort ist dabei, dem Appell des Papstes zu folgen. Der hat Gläubige in ganz Europa zur Aufnahme von Flüchtlingen aufgerufen - der Vatikan geht mit gutem Beispiel voran. Vikar David Seibel sagt: „Wir sehen uns in der Pflicht, es ist unser Auftrag zu helfen.“ Eine Familie aufgenommen, wie vom Papst gefordert, haben die Wittenberger unterdessen noch nicht: „Das müssen wir in der Gemeinde besprechen. Wir werden das nächste Woche angehen.“ Und was Spendensammlungen betrifft, da „haben wir unsere Spezialisten von der Caritas“. Thomas Lazar, Pressesprecher des Bistums Magdeburg, bestätigt Spendensammlungen für Flüchtlinge über die Caritas. Er sagt auch, dass es im Lande bereits verschiedene Initiativen gebe. In Haldensleben etwa wohnen mehrere Flüchtlinge aus Eritrea im Pfarrhaus: „Man muss natürlich immer die Gegebenheiten vor Ort beachten.“ Lazar nennt zudem das Beispiel Naumburg: „Da bieten Gemeindeglieder Sprachkurse an.“ In Halle würden regelmäßig Flüchtlingsunterkünfte besucht. Was der Papst sagt, so Lazar, sei gut und richtig und notwendig: „Man muss aber schauen, was möglich ist und manchmal vielleicht auch den inneren Schweinehund überwinden.“

Fälle von Kirchenasyl, um Abschiebungen zu verhindern, gibt es laut Lazar ebenfalls. Übrigens auch in Wittenberg. Hier setzt sich die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde der Hoffnungskirche seit langem engagiert für Asylbewerber ein - bis hin zum Asyl. Pfarrerin Brigitte Neumeister spricht von drei Menschen, die in der Kirche Schutz fanden. Aktuell wird ein Mann aus Somalia vor der Abschiebung nach Italien bewahrt. Deutschunterricht für Asylbewerber ist bereits seit Anfang des Jahres im Angebot, unlängst wurde eine Familie aus Albanien bei der Wohnungs-Einrichtung unterstützt. „Wir sind es gewohnt, ein offenes Haus zu haben“, erklärt die Pfarrerin und spricht von ihrem Wunsch, dass neben der Kirche auf einem verwahrlosten Grundstück Häuser gebaut werden. „In denen sollten deutsche und ausländische Familien gemeinsam wohnen. Wir suchen noch Spender für das Projekt.“ (mz)