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Fahrerflucht in Wittenberg Fahrerflucht in Wittenberg: Beschwerde wird erneuert

Von Michael Hübner 22.12.2017, 13:16
Helmut F. am Unfallort. Aus der Einbahnstraße soll die Unfallverursacherin gekommen sein.
Helmut F. am Unfallort. Aus der Einbahnstraße soll die Unfallverursacherin gekommen sein. Klitzsch

Wittenberg - Mit Matula - einem Privatdetektiv aus der Fernsehsendung „Ein Fall für zwei“ - hätte er den Fall schon gelöst, behauptet ein Wittenberger Anwalt. Was witzig klingt, ist bitterer Ernst. Helmut F., der Mandant des Juristen, ist empört. Kritik an der Arbeit der Polizei werde einfach ignoriert und verlaufe im Sande, behauptet der Mann.

„Ein Opfer ist der Staatsanwaltschaft noch nicht mal mehr eine Antwort wert“, sagt der 76-Jährige verbittert. Ob die Behörde zu den Vorwürfen schweigt oder eben nicht - schon um das zu klären, wird detektivischer Spürsinn benötigt.

Radler wird verletzt

Es geht um den 11. November 2016. Helmut F. wird vor 13 Monaten in Wittenberg Opfer einer Unfallflucht. Eine Pkw-Fahrerin, die in der Wittenberger Bachstraße - einer Einbahnstraße - in der verkehrten Richtung unterwegs ist, fährt den Radler an. „Sie hat zunächst gestoppt und dann Gas gegeben“, erinnert sich Helmut F. an das Geschehene.

Die Unfallverursacherin kümmert sich in keiner Weise um den Verletzten. Der Rentner erleidet schmerzhafte Prellungen. Er kann aber erkennen, dass es sich um ein Coswiger Firmenfahrzeug handelt und kann für einen Augenblick die Fahrerin sehen. Die Polizei telefoniert nach dem Unfall laut Akte lediglich mit der Geschäftsführerin - laut Homepage des Unternehmens ist der Chef aber ein Mann - und hört, dass kein Betriebsfahrzeug in einen Unfall verwickelt war.

Das war’s! Mehr an Ermittlungstätigkeit passiert zunächst überhaupt nicht.

Helmut F. beschwert sich am 15. Mai 2017 über diese Rechercheleistung schriftlich beim Revierleiter Marcus Benedix. Wittenbergs Polizeichef leitet das harsche Schreiben an seine übergeordnete Dienststelle, die Polizeidirektion Dessau, weiter.

Eine Sachbearbeiterin bewertet die Post aus der Lutherstadt als eine Sachaufsichtsbeschwerde und leitet die Kritik des Lutherstädters an die Staatsanwaltschaft weiter. Am 30. Mai erhält Helmut F. diese Information von der Polizei. Seitdem ist - so sieht es zumindest aus - nichts mehr passiert.

Beschwerde bearbeitet

„Natürlich werden Sachaufsichtsbeschwerden beantwortet“, sagt Frank Pieper. Es gebe aber auch Ausnahmen, räumt der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft ein. Mit einem bisschen guten Willen könnte das Schreiben der Behörde an Johannes Michael Oshadnik - das ist der Anwalt - als Antwort gewertet werden.

Das erfährt Helmut F. auf telefonische Nachfrage von der Behörde. Aber warum wird das Schreiben nicht direkt an Helmut F. geschickt und warum wird nicht deutlich vermerkt, dass es sich um die Antwort handelt?

Die Verwirrung ist perfekt und jeder interpretiert die Zeilen anders. Fakt ist, mit der Post vom 16. Oktober - das Schreiben trifft aber erst am 17. November in Wittenberg ein - kündigt die Staatsanwaltschaft das endgültige Einstellen des Verfahrens an.

Nach einem ersten MZ-Bericht hatte es zumindest noch so etwas wie eine Nach-Recherche - für den Fall, dass der Jurist nicht noch „erfolgversprechende Ermittlungsansätze“ mitteilen könne, gegeben.

„Ich verfüge aber nicht über Matula“, sagt der Rechtsanwalt mit dem Verweis auf die Krimiserie „Ein Fall für zwei“ und den Unterschied zwischen TV, wo ein Privatdetektiv ermittelt, und dem wirklichen Leben. Die Staatsanwaltschaft erkundigt sich, ob „eine Überprüfung der polizeilichen Tätigkeit“ in Erwägung gezogen wird.

Doch genau das hat Helmut F. mit seiner Beschwerde bei dem Wittenberger Polizei-Revier vom Mai 2017 doch längst getan. Dies sei eine private Initiative seines Mandanten, die er jetzt aber in Kopie der Staatsanwaltschaft noch einmal zukommen lässt, mit der Aufforderung zur Beantwortung, betont Oshadnik. Er halte aber solche Beschwerden für „Frist-, form- und fruchtlos“. Und der Anwalt betont: „Das dürfen Sie ruhig zitieren“.

Dagegen will ein Mann auf keinen Fall zitiert werden. Dabei sind für ihn Halteranfragen und das Ermitteln von unbekannten Fahrern nichts Besonderes, sondern reine Alltagsroutine. Der Beamte arbeitet nicht für die Polizei, sondern für den Wittenberger Stadtordnungsdienst.

Er klärt Tempoverstöße auf und kennt sich mit der Identifizierung von Autofahrern aus. „Das ist nicht so einfach, wie es aussieht“, sagt er und verweist auf die Gesetzeslage. „Ein Mann, der seiner Frau das Auto überlässt, hat ein Zeugnisverweigerungsrecht.“

Damit sei die Angelegenheit am Schreibtisch oder Telefon nicht mehr zu klären. „Die Blitzerfotos müssen mit den in Betracht kommenden Personen abgeglichen werden“, verrät er das vorgeschriebene Prozedere.

Keine Gegenüberstellung

Eine sofortige Gegenüberstellung gleich nach dem Unfall hatte sich auch Helmut F. vergeblich gewünscht. Dabei wäre der Aufwand nicht unbedingt sehr groß gewesen. „Drei oder vier Fahrzeuge kommen in Frage“, schätzt sein Anwalt Oshadnik ein.

Macht es jetzt noch Sinn, das vor einem Jahr Versäumte nachzuholen? Helmut F. kann sich inzwischen nur noch an die Frisur der Frau erinnern. Er werde sich aber weiter wehren und kündigt ein erneutes Schreiben an die Staatsanwaltschaft an. Er wolle vehement gegen das Einstellen des Verfahrens protestieren.

Helmut F. ist indes kein Einzelfall. Insgesamt 48 Menschen kritisierten 2016 die Wittenberger Polizei. Nach offiziellen Angaben waren davon fünf berechtigt. Damit arbeitet das Revier deutlich besser als der Landesdurchschnitt - der bei zwölf Prozent berechtigter Schelte liegt. (mz)

Nur provisorisch repariert.
Nur provisorisch repariert.
Klitzsch