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Sexismusvorwürfe in der "Partei" Die Partei: Generalsekretärin tritt mit Sexismus-Vorwurf zurück

Von Irina Steinmann 26.07.2019, 07:00
Spiel mit Klischees. Elisabeth Habel in Partei-Uniform
Spiel mit Klischees. Elisabeth Habel in Partei-Uniform Habel

Wittenberg - An der Partei „Die Partei“ scheiden sich die Geister. Belebt oder begräbt ihr satirischer Ansatz die Demokratie? Hört hier der Spaß auf - oder fängt er gerade erst an? Und was ist was? Unbestritten ist: Die Generalsekretärin der (nicht nur Satire-)Partei ist zurückgetreten. Die Wittenbergerin Elisabeth  Habel hat ihr Amt im Landesverband Sachsen-Anhalt niedergelegt.

Aus Spaß wird an dieser Stelle  Ernst, denn Habel begründet ihren Schritt mit schwerwiegenden  Vorwürfen gegen die Partei, im Raum steht sogar der Vorwurf sexueller Übergriffigkeit. „Das habe ich alles nur machen können in dem Glauben, dass es sich eines Tages bessert“, schreibt sie über ihr Amt  auf Facebook. „Und dass man die Vorfälle bei mir nicht auf die leichte Schulter nimmt.“

Elisabeth Habel spricht von Hass und Drohungen von außen

Auf MZ-Anfrage legt sie noch einmal nach und begründet ihren Schritt ausführlich, ebenfalls auf Facebook.  Eingangs verweist die kürzlich nach Leipzig umgezogene Zahntechnikerin  auf die Belastung, die ein Parteiamt generell mit sich bringt. Knapp zwei Jahre war sie Generalsekretärin. „Das macht man nicht nebenbei, es schränkt andere Bereiche ein und das habe ich auch sehr gerne gemacht.“ Aber das ist nicht alles.

Sie erhalte Morddrohungen und Hassbotschaften, schreibt die 22-Jährige  weiter, „das dicke Fell legt man sich aber mit der Zeit zu. Man gewöhnt sich an den rüden Ton seitens der AfD, das Verunglimpfen.“ So weit, so schlecht. Aber: „Woran ich mich nicht gewöhnen möchte, ist der rüde Tonfall innerhalb einer Gemeinschaft.“ Also innerhalb ihrer Partei.

Habel: Übergriff eines Partei-Mitgliedes wurde nicht geahndet

„Am schwersten wiegt der Punkt, dass es nahezu unmöglich ist, Genossen, welche eine rote Linie überschreiten, aus der Partei auszuschließen aufgrund vorherrschender Gesetzmäßigkeiten“, kritisiert sie. Sie verweist dabei auf Parallelen zum SPD-Fall  Sarrazin, um sogleich zu ihrer Partei zurückzukehren: Manchmal fehle ihr auch der Wille einiger Führungskader, sich restlos von solchen Genossen zu distanzieren und sich solidarisch zu zeigen. Ergo: „Ich habe nicht mehr den Antrieb, als Ansprechpartnerin zu funktionieren, wenn meine Ansprechpartner versagen. Auch ich bin nur ein Mensch.“

Im Gespräch mit der MZ erläutert Elisabeth Habel ihren Schritt etwas genauer. Auslöser sei ein Vorfall mit einem Parteigenossen aus einem anderen Landesverband gewesen. Dieser sei ihr bei einer Veranstaltung in Halle während des Europawahlkampfs „zu nahe gekommen“, verbal und auch körperlich übergriffig geworden.  

Näher möchte sie das nicht erklären. Anzeige habe sie nicht erstattet. Zu einem Parteiausschluss des Betroffenen aber sei es anders als von ihr erwartet und gewünscht nicht gekommen. Ganz im Gegenteil habe sie keine Unterstützung erfahren, klagt Habel. Sie vermisse „Achtung vor mir, vor der Frau“ überhaupt, und wünsche sich von der Bundespartei und vom betroffenen Landesverband, dass diese „für Werte einstehen“. Notwendig sei eine „Grundsatzdebatte, wie man mit Mitgliedern umgeht“.  Zugleich zeigte sie sich zuversichtlich, dass dies auch gelingen werde. 

Elisabeth Habel will der Partei nicht ganz den Rücken kehren

Denn ein Grund, der Partei komplett den Rücken zu kehren, ist der Zwischenfall und was diesem folgte, für Habel  nicht. „Wir haben einen wunderbaren Landesverband“, betont sie vielmehr, und „ganz viele engagierte Parteimitglieder“. Ausdrücklich bedankt sich Habel   in ihrem Post beim  Europaabgeordneten Martin Sonneborn und „noch mehr“ bei  Partei-Landeschef Martin Bochmann.

Gleichzeitig kündigte sie an, als Mitglied der Partei   ihr Engagement bis auf weiteres auf deren Jugend-Organisation zu beschränken. „Dem Kreisverband Wittenberg bleibe ich zumindest für die Jugend erhalten.“ „Viel Erfolg“ wünsche sie auch Benjamin Bang, dem neuen Wittenberger Stadtrat. Bang ist dort der erste und einzige Vertreter der Partei. Bei der Kommunalwahl hatte er aus dem Stand 712 Stimmen  bekommen.

Die Partei: Fördert lockere Sprache auch Übergriffe?

Als offenbar einziger Landesverband der „Partei“ pflegt die Partei in Sachsen-Anhalt die Marotte, Funktionsträger konsequent in der weiblichen Form zu betiteln. Sie hat also eine Vorsitzende, Martin Bochmann,  eine Schatzmeisterin namens Kevin Schminka und, ja doch, auch eine Beisitzerin: Dörte Jacobi. Jacobi ist ausweislich der Partei-Homepage im Landesverband „Sachsen-Stop“ seit 2018 auch die „Frauen-   beziehungsweise Sexismusbeauftragte“. Was sie nicht sein kann: Mit-Glied im Landesvorstand - aber sie gehört ihm an.

Einen Zusammenhang zwischen dem Vorfall in Halle und dem lockeren Umgang mit  Sprache  sieht  Elisabeth Habel nicht.  „Wenn wir Sexismus parodieren“, müsse aber klar sein, was  - wie beabsichtigt - „Satire“ ist und was Belästigung. Diesmal war es ganz offenkundig Belästigung.

„Schockiert“ hat unterdessen der „Partei“-Landesvorsitzende von Sachsen-Anhalt auf Habels Rücktritt reagiert, den er „sehr bedauere“.  Habel habe sich „in kürzester Zeit vom Neuling zu einer auch bundesweit geachteten Person innerhalb der Partei entwickelt“, so Martin Bochmann. Er kündigte an, den Frauenanteil  im Landesvorstand weiter erhöhen zu wollen - und zwar auf vier (bis zu Habels Rücktritt waren es drei Frauen) von sieben - vielleicht sogar wieder mit Habel.

Partei-Landesschef sieht kein generelles Sexismus-Problem

Auf MZ-Anfrage antwortet Bochmann ausführlich zum Thema Sexismus, ohne auf den konkreten Fall einzugehen. Ein generelles oder strukturelles Sexismus-Problem sehe er nicht, allerdings lasse es sich bei „über 35000 Mitgliedern und unzähligen Orts- und Kreisverbänden leider nicht vermeiden, dass es unschöne Plakate oder Postings im Internet gibt“. Inzwischen  werde bei so etwas aber „schneller als vorher durchgegriffen“ - etwa bei  „sehr unsatirisch hässlichem Fips-Asmussen-Humor“.

In einer  bereits im April veröffentlichten Erklärung, auf die sich der Landeschef  nun erneut bezieht, heißt es unter dem Titel „Ernstgemeinte Ansage!“: „Übergriffe jeglicher Art - insbesondere sexueller Natur - sind vollkommen inakzeptabel.“ Dann aber bleibt die Erklärung doch nicht ernst: Bei Zuwiderhandlungen „halten wir ein einfaches Übertrittsformular in die CDU bereit.“ (mz)