Dialog zum Thema "Flüchtlinge" Dialog zum Thema "Flüchtlinge": Keine Rüpel im Wittenberger Ratssaal

Wittenberg - Der große Saal im Alten Rathaus ist am Montagabend fast bis auf den letzten Platz belegt. Das „Stadtgespräch“ zum Thema „Asyl als Herausforderung und Chance zugleich“ lockt viele Gesprächsteilnehmer in die ehrwürdige Halle - vom ganz linken bis zum ganz rechten Rand der Bürgerschaft reicht die Palette. Dennoch eins vorab: Es blieb sachlich. Es blieb friedlich und informativ. Das war nicht zuletzt das Verdienst von Friedrich Kramer, dem Direktor der Evangelischen Akademie, der anderthalb Stunden lang sehr souverän die Veranstaltung moderierte. Aber auch das Podium selbst war mit Landrat Jürgen Dannenberg (Linke) und Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) in der Lage, mit Fakten Rede und Antwort zu stehen.
Ehrenamtliche spricht über ihre Erfahrungen
Das Salz in der Suppe aber machten drei andere Gäste aus: Olaf Kurzhals (SPD), der Objektverantwortliche in der Grieboer Notunterkunft war da - trat aber seine Redezeit dem Flüchtlingssprecher Mounir Morad Agha aus Syrien ab. Highlight des Abends blieb Lydia Grauss, die trotz anfänglicher Skepsis seit Wochen ehrenamtlich Deutschunterricht in der Halle erteilt.
„Ich habe auch Fragen gehabt. Und ich habe sie gestellt. Etwa, warum die jungen Männer nicht in Syrien geblieben sind, um dort zu kämpfen. Aber was ist eigentlich falsch daran, überleben zu wollen?“, räumte sie peu à peu in ihrem souveränen Vortrag mit gängigen Vorurteilen über Flüchtlinge auf. Auch Mounir Morad Agha ist damit ständig konfrontiert: „Warum wir ein Handy haben, wollen die Leute wissen. Um Verbindung in die alte Heimat zu halten, zu den Familien. Wer ist noch am Leben? Welches Haus wurde bombardiert?“ - Und dass die Polizei so häufig in Griebo halte, läge auch nicht daran, dass es ständig Probleme gäbe.
„Die Polizisten können dort Kaffee trinken“, erklärt er trocken. Landrat Dannenberg bestätigt das wenig später: „Die sind da so integriert.“ Es ist ein Lob in beide Richtungen. Doch nicht nur Vorträge gehören zum Stadtgespräch. In einer zehnminütigen Pause können Fragen vom Publikum formuliert werden, die der Moderator zusammenfasst. Von den Kosten für einen Asylbewerber bis zu Fragen der Ausbildung und Beschäftigung reicht das Interesse. Torsten Zugehör soll auch sagen, warum er keine bessere Bildungs-, Familien- und Arbeitspolitik macht. „Wir können besser werden, aber wir sind nicht schlecht“, gibt der Optimist zu Protokoll.
Suche nach Antworten
Am Ende entsteht ein guter Eindruck von der Kommunikation in der Stadt. Sorgen werden vorgelesen, Antworten werden gesucht. Es bleibt niveauvoll - weitestgehend. Den Kern des Ganzen trifft Lydia Grauss in ihrem Schlusswort: „Man muss offener sein, und man kann wenigstens ,Hallo’ sagen. Das ist ein guter Anfang.“
Auch Kurzhals versteht sich als Brückenbauer zwischen Einheimischen und Neuankömmlingen. Wie das geht, weiß Zugehör: „Man kann Mensch bleiben, Schwächeren helfen, zuhören. All das, was ich meinen Kindern mitgebe, in der Hoffnung, dass sie nicht erleben müssen, was mein Vater und Großvater erleben mussten. Man kann Vorbild sein.“ (mz)
