«Der Sänger möchte einfach singen»
GRÄFENHAINICHEN/MZ. - Eingeladen dazu hatte neben Bibliothek und Förderkreis auch die Friedrich-Naumann-Stiftung, deren weltweites Eintreten für Toleranz und Menschenrechte so gut zum Liedermacher passe, wie Stadträtin Cornelia Kuhnert (FDP) befand. Sie versprach den Gästen allerdings alles andere als leichte Kost. "Die Zutaten sind deftig: Verbote, Diktate, Misstrauen. Allerdings auch Liebe und Freundschaft."
Es sind Erfahrungen, die nicht nur Krawczyk in einer Zeit gemacht habe, die gut zwei Jahrzehnte zurückliege. Doch gerade er könne so gut Auskunft geben: mit Nachdruck. Deshalb auch die Schwere der Kost. Allerdings sei der Wahlberliner in gewisser Weise ein Meisterkoch. Die Leichtigkeit schwinge mit in seinem Spiel. Stefan Krawczyk ist sich treu geblieben. Das spürten die Gräfenhainichener.
Er ist der Mann, dessen Fall im Jahr 1988 aufhorchen ließ im Arbeiter- und Bauernstaat. Nach drei Jahren praktischem Berufsverbot habe er nichts anderes als mit seiner damaligen Frau Freya Klier auf sein Schicksal aufmerksam machen wollen. Der 17. Januar schien ihm recht. Doch zum Protest auf der Großdemo zu Ehren von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg kam es kaum. "Die haben uns schon an der ersten Straßenecke geschnappt, wussten alles. Wohnung verwanzt, Telefon abgehört." Dabei habe er doch nie etwas Dramatisches gewollt. "Der Sänger möchte einfach singen." Habe er keine Bühne, fange er an, schlecht zu träumen. Entzug sei das. Krawczyk liebt das Wort, spielt mit ihm. "Willkommen an einem Abend, an dem die größte Schlacht der Maulhelden gerade geschlagen ist." Der Sänger nimmt sich die Freiheit, die ihm so viel bedeutet, und hat dem US-Wahlkampf seinen Stempel aufgedrückt.
Doch das Wort allein reicht ihm nicht. Maulhelden und Maultrommeln: das passt. Deshalb spielt er das Instrument. Und ist nicht minder schnell auf seiner Lebensreise zurück. "Frei zu sein, bedarf es viel", nennt Stefan Krawczyk seinen Weg, der im Arbeiter und Bauernstaat so viel versprechend begann. Der "hoffnungsvolle Kandidat der SED" nennt sich bald "der Narr". Er begehrt auf, kritisiert und erlebt, dass Freiheit sehr schnell beschnitten wird.
Ein Großteil des Programms steht mit 15 Tagen Leben im Staatssicherheitsgefängnis in Hohenschönhausen in Verbindung. Doch trotz "Schließacht, Verwahrraum und Vernehmung" - die Wortchirurgen der DDR hätten sich so viel einfallen lassen - bleibt die Liebe. Herausgeschrien habe er, was ihn bewegt hatte. Freya solle stark bleiben. "Ich liebe Dich." Drei Worte mit Macht. Krawczyk kommt samt Frau schnell in den Westen. Abgeschoben und wenig später froh über den Mauerfall. Doch die Euphorie darüber führe zu einer Romantisierung der Geschichte. "Das ist nie gewesen, das gab es nicht." Zu oft hört er das. Auch deshalb lädt er ein zu seiner Lebensreise.