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Denkmal in Wittenberg Denkmal in Wittenberg: Geschichte in Leerstellen

Von Irina Steinmann 07.04.2016, 17:15
Michael Krenzt präsentiert seinen Entwurf für das Erinnerungsmal „Schwerter zu Pflugscharen“, das bis März 2017 im Hof des Wittenberger Lutherhauses errichtet werden soll.
Michael Krenzt präsentiert seinen Entwurf für das Erinnerungsmal „Schwerter zu Pflugscharen“, das bis März 2017 im Hof des Wittenberger Lutherhauses errichtet werden soll. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Das Schmiedewerk ist diesmal zwei Meter breit, 3,20 Meter hoch und es besteht aus Corten-Stahl in einer Stärke von 2,5 Zentimetern. Loch an Loch erinnert es von der Form her an eine Schablone und beweist, dass man Geschichte auch in Leerstellen darstellen kann - und so ganz nebenbei noch Platz zum Selberdenken lässt. Der rund 600-jährigen Geschichte des Lutherhauses von der Klosterzeit über die preußische Lutherverehrung des 19. Jahrhunderts bis zu den mutigen Anbauten um die Jahrtausendwende wird mit der oxidierten Metallplatte, die bis März 2017 im Hof errichtet werden soll, eine weitere historische Zeitschicht hinzugefügt.

Hunderte verfolgten am 24. September 1983, wie der Schmied Stefan Nau das Schwert umschmiedete. Die mehrstündige Aktion fand im Umfeld des regionalen Kirchentags im Lutherjahr statt - und dank eines WDR-Filmteams starke mediale Verbreitung. Wegen der vielen prominenten Gäste, darunter Richard von Weizsäcker, griffen die Behörden nicht ein.

Michael Krenz’ Werk soll es übrigens auch als Bastelbogen geben - er habe diesen Teil seines Wettbewerbsbeitrages erfolgreich an seinen Kindern getestet. Den Besuchern am Denkmal, das auf der Seite des Augusteums parallel zum Gebäude stehen soll, helfen zur Orientierung eine Tafel am Boden und ein QR-Code, der sie zu ausführlichen Infos im Netz führt.

Das Werk des halleschen Künstlers Michael Krenz macht ein Ereignis sichtbar, dem es an Bilderruhm zwar nicht mangelt, das im Gegenteil seinerzeit über Nacht eine mindestens deutschlandweite Ikone wurde, aber eben bis heute nicht zu (be-)greifen ist am Ort des Geschehens: Die spektakuläre Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ am 24. September 1983 fand hier statt, ja, genau hier im Lutherhof. „Es muss eine eindrucksvolle Atmosphäre gewesen sein“, sagte am Donnerstag der Direktor der Stiftung Luthergedenkstätten, Stefan Rhein, über jenes Ereignis, das ein „wesentlicher Teil der Geschichte vor der und zur friedlichen Revolution“ von 1989 gewesen sei und dessen Denkmalwürdigkeit folglich außer Frage stehe.

Bei seiner Annäherung an das Thema hat sich der 41-jährige Krenz, Absolvent und Dozent an der renommierten Kunsthochschule Burg Giebichenstein, dabei von einem wichtigen Detail aus der Geschichte der „Schwerter zu Pflugscharen“-Bewegung inspirieren lassen: Nach dem Verbot des einschlägigen Aufnähers mit Bibelzitat setzte die oppositionelle Friedensbewegung in der DDR ihren Protest an der Jacke fort, indem sie dort stattdessen - ein Loch ließ.

Ein Ansatz, der auch die Jury des Wettbewerbs überzeugte, zu dem Stiftung und Hochschule gemeinsam eingeladen hatten (die MZ berichtete mehrfach): Eine „ungeheure Vielschichtigkeit“ bescheinigte Rektor Dieter Hofmann nun diesem Werk von Michael Krenz, er lobte die Wahl des Materials wie auch die als Negative (Leerstellen) dargestellten Symbole. Im Übrigen handele es sich um eine Arbeit, die sich gut in den Ort einfüge - keine Lappalie im Welterbe Lutherhaus.

Dass im Lutherhof künftig an die historische Schmiedeaktion erinnert werden kann, ist wie berichtet ein Verdienst des Wittenberger Lions-Clubs. Er bringt gemeinsam mit seinen Partnerclubs unter anderem in Sachsen-Anhalt, Thüringen und aus Wittenbergs Partnerstadt Bretten jene 55 000 Euro auf, die der Wettbewerb und die Realisierung des Erinnerungsmals kosten. Das verbindende Element zwischen Luthers Thesenanschlag 1517 und der Aktion von 1983 sei das „mutige Eintreten für die eigene Überzeugung, die Freiheit des Denkens und eine bessere Gesellschaft“, sagte am Donnerstag bei der Vorstellung des ausgewählten Kunstwerks der Vorsitzende der Lions-Stiftung, Wolfgang Christof. Die Lions, deren eigenes Motto „We serve“ (Wir dienen) lautet, verstehen ihre Denkmal-Initiative als Beitrag zum Reformationsjubiläum, sie machen sich damit aber auch selbst ein Geschenk: Die weltweite Vereinigung feiert 2017 ihr 100-jähriges Bestehen.

Ein Wittenberger Lion ist unterdessen auch ganz persönlich in die Historie involviert: Der Metallbauer Günter Schildhauer stellte am 24. September 1983 den Amboss für die Aktion - heute ein Exponat im Zeughaus - und darf die Denkmal-Idee damit ein wenig auch für sich reklamieren. In seiner nahen Werkstatt liefen seinerzeit sämtliche praktischen Vorbereitungen.

Realisiert wird das Denkmal von einem Metallbauer - Michael Krenz wäre die Bearbeitung von der Dimension her zu mächtig. Schmied hat er allerdings selbst mal gelernt. (mz)