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Berufungsverfahren Landgericht Berufungsverfahren Landgericht: Wittenberger soll Jobcenter betrogen haben

Von Thomas Steinberg 30.03.2016, 17:10
Das Logo der Arbeitsagentur am Eingang zum Jobcenter.
Das Logo der Arbeitsagentur am Eingang zum Jobcenter. dpa

Wittenberg/Dessau - In Uwe R. (Namen geändert) brodelt es. „Wissen Sie, wie das ist, wenn der Zoll vor der Tür steht und pfänden will?“ Er bekommt keine Antwort auf seine Frage, aber vermutlich würde sie lauten: Nein, das wissen weder der Richter noch die Schöffen, weder der Staatsanwalt noch der Verteidiger. Die Probleme des Mittfünfzigers aus Wittenberg sind nicht die ihren.

R., gelernter Maler, immer mal wieder und auch zur Zeit arbeitslos, hat sich strafrechtlich nie etwas zuschulden kommen lassen. Vor einem halben Jahr aber verurteilte ihn das Amtsgericht Wittenberg zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen wegen versuchten Betrugs und Vortäuschens einer Straftat. Nun versucht er vor dem Dessauer Landgericht freigesprochen zu werden.

Vorschuss vom Jobcenter erhalten?

Zurück ins Jahr 2011: R. hatte nach ein paar Wochen Arbeitslosigkeit im April wieder einen Job gefunden, keinen gut bezahlten, aber immerhin überhaupt einen. Das Jobcenter war für ihn nicht mehr zuständig. Doch Anfang Mai, so der Vorwurf, soll R. trotzdem in der Behörde einen Vorschuss beantragt und 334 Euro in bar erhalten haben. Zu Unrecht, wie das Jobcenter wenig später befand und nach allerlei Hin- und Herrechnerei 239 Euro zurückforderte.

R. legte Widerspruch ein. Man stritt längere Zeit, R. blieb dabei, nie das Geld erhalten zu haben, und erstattete 2014 Anzeige gegen Unbekannt wegen Betrugs: Irgendjemand musste ja das Geld in seinem Namen abgehoben haben. Die Unterschrift auf den Auszahlungsbelegen?, will der Richter wissen. Sei nicht seine, erwidert R. und sein Anwalt beantragt dazu ein Gutachten, was das Gericht später ablehnen wird, weil Untersuchungen allein von Unterschriften oft unsichere Ergebnisse brächten.

Zwei Zeugen vom Jobcenter sagen, für die Auszahlung bräuchte es einen Ausweis. Der werde zuerst neben den aktuellen Kontoauszügen von einer Person kontrolliert, bevor eine zweite die Geldkarte herausgebe, auf die jener Betrug gebucht ist, der vom Automaten im Erdgeschoss abgehoben werden kann. Auch diese Person kontrolliere den Personalausweis. Als ein Schöffe nachfragt, sagt der als Zeuge geladene Mitarbeiter, das System sei sicher. R. aber beharrt darauf: Er habe das Geld nie bekommen, das Geld müsse jemand aus dem Amt abgehoben haben. Deshalb die Strafanzeige.

Gericht von Indizien überzeugt

Es gibt keinen Beweis, dass es so oder so war, doch ist das Gericht wegen der Indizien überzeugt, dass R. zu Unrecht sich das Geld hat auszahlen lassen und seine Anzeige nur eine Straftat vortäuschen sollte. Es bleibt bei 90 Tagessätzen à zehn Euro.

Egal, ob R. getan hat, was ihm vorgeworfen wird oder nicht: Im Glauben, „als Hartz-IV-Empfänger der letzte Dreck“ zu sein, dürfte er bestätigt worden sein. Denn Geldstrafen treffen jene, die wenig haben, viel härter als Gutbetuchte, auch wenn deren Sätze höher ausfallen. Dem Hartz-IV-Empfänger gestattet man höchstens eine Zahlungserleichterung in Form von 50-Euro-Raten - die vom Existenzminimum zu bestreiten sind. (mz)