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Bereitschaftspflege in Bad Schmiedeberg Bereitschaftspflege in Bad Schmiedeberg: "Inzwischen haben wir alles was ein Kinderherz begehrt"

Von Thomas Tominski 09.12.2014, 09:43
Eingespieltes Team: Gitta und Dieter Finke aus Bad Schmiedeberg.
Eingespieltes Team: Gitta und Dieter Finke aus Bad Schmiedeberg. Tominski Lizenz

Bad Schmiedeberg - Wenn in der Nacht das Telefon klingelt, läuft bei Gitta und Dieter Finke alles wie am Schnürchen ab. Das Bett wird aufgeschüttelt, ein kleiner Imbiss vorbereitet. Die rüstigen Rentner aus Bad Schmiedeberg sind ein eingespieltes Team und auf Notsituationen eingestellt. Seit 2006 haben beide in der Bereitschaftspflege 23 Kinder betreut, deren Leben bis zur Herausnahme aus der Herkunftsfamilie, so heißt es offiziell, nicht glatt verlaufen ist.

Schwieriger Anfang

„Am Anfang stehen sie schüchtern in der Ecke“, erzählt Dieter Finke, der aus Erfahrung weiß, wie schnell das Eis taut. Spätestens wenn seine Frau in der Küche werkelt, siegt die Neugierde über die Angst. Das Ehepaar hat sich die Arbeit klar aufgeteilt. Gitta übernimmt den Haushalt, Dieter ist Organisator und Gestalter des Außenreviers am Grundstück. „Inzwischen haben wir alles, was ein Kinderherz begehrt“, sagt er mit hörbarem Stolz in der Stimme. Als gelernter Handwerker hat es ihm Spaß gemacht, Schaukel oder Sandkasten selbst zu bauen.

Die Bewerbung für die Bereitschaftspflege beim Jugendamt Wittenberg war kein spontaner Entschluss. Gitta und Dieter Finke haben seit Mitte der 1970er Jahre Kinder betreut, jede Menge Erfahrungen gesammelt und ab 1994 das erste Pflegekind in ihre sechsköpfige Familie aufgenommen. „Zu DDR-Zeiten waren es lediglich Wochenendbesuche. Die Mädchen und Jungen kamen aus dem Kinderheim Moschwig“, erinnert sich die Rentnerin und betont, dass es mit den Behörden damals nie Probleme gegeben hat.

Urlaubstraum erfüllt

Bereitschaftspflege heißt, ständig verfügbar zu sein. Wenn das Ehepaar eine Urlaubsreise plant, muss es sich beim Jugendamt abmelden. „Kein Problem“, sagen beide, „den großen Traum haben wir uns erfüllt.“ Vor vier Jahren haben sie mit der Harley eine geführte Tour durch die USA gemacht. Viele Bilder an der Wand dokumentieren diese Reise. Das Ehepaar weiß, dass ihre „Arbeitszeit“ begrenzt ist. Sie marschieren auf die 70 zu und nehmen sich Auszeiten, um Kraft zu tanken. In den freien Stunden, wo ihre Schützlinge in Kindergarten oder Schule sind, gehen sie mit dem Hund spazieren oder cruisen mit dem Motorrad durch die Gegend. Gitta und Dieter Finke, die in Wurzen aufgewachsen sind, haben sprichwörtlich den Bund fürs Leben geschlossen. „Wir sind seit der zehnten Klasse zusammen“, erzählt sie mit einem hörbar sächsischen Akzent in der Stimme und verrät, dass die Entscheidung auf einem Tanzabend gefallen ist. Später haben sie im Bad Schmiedeberger Steinzeugwerk in der selben Brigade gearbeitet, vier Kinder groß gezogen und alle Stürme des Lebens überstanden. „Wir machen so lange Bereitschaftspflege, wie es geht“, sagen sie und deuten damit an, dass sie sich altersmäßig keine Grenze gesetzt haben.

Wichtige Zwischenstation

Das Ehepaar aus der Kurstadt funktioniert als Zwischenstation. Nach der Herausnahme durch das Jugendamt aus der Herkunftsfamilie betreuen sie die Kinder bis zur Übernahme durch eine Pflegefamilie. „Das dauert zwischen sieben Tage bis mehrere Monate“, sagen sie und deuten an, dass sie in den vergangenen acht Jahren in Sachen Vorgeschichte der Kinder „so ziemlich alles“ erlebt haben. Das Interesse der Eltern am Werdegang ihrer Sprösslinge lässt nach Herausnahme in den meisten Fällen zu wünschen übrig. Trotzdem: Die Arbeit mit den Kindern macht ihnen Spaß. „Wir rosten nicht ein“, sagt Dieter Finke, der trotz seines Alters sehr agil wirkt. Beide betonen, dass sie die schönen Seiten gemeinsam genießen. Vor allem beim Schule spielen bricht das Eis schnell. „Da bin ich der Schüler, mache ein paar Fehler und bekomme vom Lehrer eine Ermahnung“, verrät er seinen speziellen Trick. Über das Ende ihrer Tätigkeit machen sie sich trotz aller Entschlossenheit manchmal Gedanken. „Das wird schwer. Wir müssen unseren Lebensrhythmus dann völlig umstellen.“ (mz)