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Ausfahrt der wahren Fans

Von Ina Otto 14.09.2008, 17:12

Wittneberg/MZ. - Zur Musik aus den Goldenen 20ern fuhren sie ein: der rot leuchtende Chevrolet, hinterdrein ein olivgrüner VW Kübel, ein Dreirad namens Monet Goyon aus dem Jahr 1929, ein Wartburg aus dem Dienste der DDR-Volkspolizei. Blank gewienert und wenn möglich ohne Verdeck, das konnte an diesem sonnigen Nachmittag schon mal weggelassen werden. "Das Wetter macht 60 Prozent der Ausfahrt aus", weiß der Organisator der Ausfahrt, Heinz Tempel.

Insgesamt 77 Oldtimer waren es, die am Samstagmorgen zur 140 Kilometer langen Herbstausfahrt nach Torgau angetreten waren. 76 davon konnten sich am Nachmittag auf dem Wittenberger Marktplatz, dem Zielpunkt der Ralley, stilgerecht mit Prosecco begrüßen lassen. "Wir hatten nur einen Pechvogel - die Startnummer 55 hatte unterwegs einen Kupplungsschaden", erzählt Heinz Tempel, der auch Mitglied beim Wittenberger Oldtimer-Stammtisch ist.

Auf der Tour, die in diesem Jahr den Titel "Elblandschaften" trug, hatten sich die Fahrzeuge verschiedenen Prüfungen zu unterziehen. Geschicklichkeit mussten die Oldtimerfreunde zum Beispiel beim Fahren auf Spurbrettern, beim Umlenken von Kegeln und beim Abstand einhalten beweisen. "In Bad Schmiedeberg haben wir eine Hupe auf die Straße gelegt, jedes Fahrzeug musste mit zwei Rädern darüber fahren", erklärte Tempel. Für die Strecke insgesamt existierte keine Zeitvorgabe, jedoch gab es auf der Strecke Durchfahrtskontrollen, so dass jede Abkürzung Strafpunkte kostete.

"Das sind alles Gleichgesinnte, die mindestens genauso verrückt sind wie man selbst", sagte Titus Schinke vergnügt über seine Mitfahrer. Der Wittenberger war mit seinem Opel, Baujahr 1934, angetreten. 24 PS habe der gerade mal unter der Haube, dennoch habe er schon großartiges geleistet - bei seiner letzten Ausfahrt in die Sächsische Schweiz im Juli war Schinke der Gesamtsieger. Das Credo seines Hobbys sei "die Erhaltung des technischen Kulturguts". Außerdem treffe man ebensolche Gleichgesinnten, zum Beispiel den Hallenser Bernhard Koch mit seinem Mercedes 220 aus dem Jahr 1951. Seit zehn Jahren beteilige er sich schon an den Herbstausfahrten des Wittenberger Stammtisches. Durch seinen Beruf - Koch ist Prüfer bei der Dekra - sei er zu diesem Hobby gekommen. "Ein Autohaus hatte mich damals gefragt, ob ich Lust hätte, einmal mitzufahren", erinnert er sich.

"Das kann zur Sucht werden", weiß auch Heinz Tempel. Er hat inzwischen drei Oldtimer in seiner Garage stehen. "Das ist immer auch ein Stückchen Lebensgeschichte", sagt er. Jeden dritten Mittwoch im Monat trifft er sich mit rund 30 anderen Oldtimer-Fans im Wittenberger Restaurant "Zur Elbe". Neu-Süchtige seien dort gern gesehen.