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Altstadt Altstadt: Kleine Schwester der Wittenberger Stadtkirche wird saniert

Von Irina Steinmann 06.07.2016, 13:11
Jens Schumann vom Kreiskirchenamt zeigt Schäden an den Wänden der 1456 erbauten Fronleichnamskapelle auf dem Wittenberger Kirchplatz.
Jens Schumann vom Kreiskirchenamt zeigt Schäden an den Wänden der 1456 erbauten Fronleichnamskapelle auf dem Wittenberger Kirchplatz. Nicolay-Guckland

Wittenberg - Seit vielen Wochen ist sie jetzt schon zu. Die englischsprachigen Gottesdienste, informiert ein Zettel an der Tür neugierige Touristen und alle anderen, die das wissen möchten, fänden derzeit anderswo statt, das Kirchlein werde nämlich saniert. Im Sog von 2017 ist nun auch die kleine und jüngere Schwester der Wittenberger Stadtkirche an der Reihe, die Fronleichnamskapelle. Bis Jahresende soll das Gotteshäuschen von 1456 fertig sein. Jetzt wird eingerüstet.

„Wir haben einen straffen Zeitplan“, sagt Jens Schumann, der Bauverantwortliche des Kirchenkreises und Mitglied in der dreiköpfigen Planungsgruppe, die für die Realisierung des Vorhabens vor Ort eingerichtet wurde. Die Frage, was denn so alles wiederhergerichtet werden soll, formuliert man besser exakt andersherum: Es wird so ziemlich alles angefasst. Rund 450.000 Euro sind veranschlagt für die Generalsanierung.

Und das Schönste: Die Mittel sind bereits fast sämtlich - nämlich 437.000 Euro - gesichert. Neben Land und Kirche mit 190.000 bzw. 156.000 Euro engagieren sich Lotto-Toto, die Stadt mit Mitteln aus dem Topf „Städtebauförderung“ sowie der Lutherische Weltbund (20.000 Euro). Das strahlende Vorbild der Stadtkirche hat die Geldgeber offenkundig nicht zögern lassen, als man, laut Schumann erst im vergangenen Sommer, mit dem Wunsch nach Unterstützung an sie herantrat. Was die noch verbleibende kleine Lücke angeht, hoffe man auf die Hilfe der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.

Erbaut wurde die Fronleichnamskapelle 1456 „von Georg Zülsdorf auf eigene Kosten“, wie dem Standardwerk „Denkmale der Kunst“ zu entnehmen ist, und hieß demnach zunächst Neue oder Zülsdorfer Kapelle. Es soll einen Vorgängerbau gegeben haben bzw. 1368 zumindest eine entsprechende Stiftung durch den Ratsherrn Konrad Wynmann. Ob hier tatsächlich zerstört und neu gebaut wurde, wie eine Infotafel am Gebäude behauptet, ist unklar.

Vor 1600 diente die Fronleichnams- auch als Friedhofskapelle, die Gräber waren damals auf dem Kirchplatz. An der Fassade befinden sich bis heute Epitaphe der Familie Vogel (Bartholomäus Vogel war den Angaben zufolge der erste Verleger Martin Luthers). Die Gedenkplatten wurden laut Schumann bereits bei der Sanierung der Stadtkirchen-Epitaphe gesichert und bekommen nun allenfalls noch einen Wetterschutz.

Nicht bruchlos war die Nutzung: Im 18. Jahrhundert diente das Gotteshaus einmal Speicherzwecken, 1913 bis 1928 beherbergte es ein Heimatmuseum. Die Kapelle gehört heute zur Stadtkirchengemeinde und wird wieder als Gebetsraum genutzt.

Dass die Kapelle die Sanierung bitter nötig hat, offenbart sich bei genauem Hinsehen schon auf den ersten Blick. Zerbrochene Fensterrippen außen wie innen, auch von den Aufsätzen der Eckpfeiler sind zum Teil nur noch Reste vorhanden. Im schlichten Inneren des Gebäudes zeigen sich Wasserschäden an den weißen Wänden, hervorgerufen durch die ebenfalls an vielen Stellen schadhafte Fassade.

Noch hat die Sanierung nicht begonnen, auch die restauratorischen Gutachten stehen noch bevor, doch rechne man durchaus damit, auf mittelalterlichen Putz zu stoßen, so Schumann. Auch an der 460 Jahre alten Kapelle haben die Zeit und bauliche Umbauten bzw. Umnutzungen Spuren hinterlassen, doch sei sie „eines der ältesten nur wenig veränderten Gebäude in Wittenberg überhaupt“.

Details werde die noch laufende Bauforschung ergeben, die die Wittenberger Kunsthistorikerin Insa Christiane Hennen derzeit durchführt. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Kapelle nach Aufgabe der Friedhofsnutzung am Kirchplatz mal über eine Zwischendecke verfügte (die später aber wieder entfernt wurde) und dass bei diesem Umbau offenbar auch die Fenster verändert wurden, berichtet Schumann.

Apropos Fenster: Sie werden - bei aller Zurückhaltung, mit der heute vorgegangen wird - nach der Sanierung anders aussehen. Es verschwinden die Schutzgitter und das simple Quadratglas aus dem 20. Jahrhundert wird voraussichtlich durch Glas in Rautenform ersetzt - wie es auch auf einer gefundenen Postkarte von 1906 noch zu sehen sei.

Weniger schlimm als befürchtet haben sich Schumann zufolge nach Begutachtung die Schäden am Dach herausgestellt, das ebenfalls saniert wird. Im Dachstuhl müssten lediglich einige Balkenteile auswechselt werden, gedeckt werde allerdings komplett neu, wieder mit Biberschwanz. Ein sehr schmaler und lichtloser Wendelgang führt dort hinauf. Nach der Sanierung soll es zwar auch auf der Treppe erstmals Licht geben, fürs Publikum wird dieser Bereich aber weiterhin nicht zugänglich sein.

Kleines Kuriosum am Rande: Die eher neuzeitlichen Geländer an der Fassade werden wohl bleiben - praktisch, weil man sich als Tourist dort schön anlehnen kann, wenn man die große Schwester anschaut. (mz)

Ein Blick in das Innere der Kapelle.
Ein Blick in das Innere der Kapelle.
Nicolay-Guckland
Jetzt wird auch die kleine Schwester der Stadtkirche in Wittenberg saniert.
Jetzt wird auch die kleine Schwester der Stadtkirche in Wittenberg saniert.
Nicolay-Guckland