Albrecht Steinwachs Albrecht Steinwachs: Der Vermittler ist gegangen
wittenberg/MZ. - Es ist ein Jahr her, da wurde Albrecht Steinwachs auf dem Neujahrsempfang des Augustinuswerks zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt. Steinwachs hatte beim Aufbau der Einrichtung wichtige Impulse gegeben, damals würdigte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) das Wirken des langjährigen Wittenberger Superintendenten: Ohne ihn, Steinwachs, "sind die letzten 40 Jahre in Wittenberg nicht denkbar, und auch das Land schuldet ihm großen Respekt". Am Freitag ist Haseloff einer von sehr vielen, die Albrecht Steinwachs die letzte Ehre erweisen: Der Theologe starb am 28. Dezember - eine Woche nach seinem 78. Geburtstag.
Die Stadtkirche, Steinwachs Wirkungsort als "Prediger auf Luthers Kanzel", ist ein Lichtermeer. Kerzen, weiß Friedrich Schorlemmer, der die Predigt hält und den Trauergottesdienst gemeinsam mit Johannes Block und Weggefährten gestaltet, Kerzen spielten für Steinwachs seit seiner Kindheit, auch seit den Bombennächten bei Kriegsende in Halberstadt eine große Rolle, eine tröstliche zumal.
Nicht zu unterschätzen ist die Rolle, die er selbst später einnehmen sollte - als Pfarrer und Seelsorger für seine Gemeindeglieder, als Superintendent auch für die Mitarbeiter im Kirchenkreis, als Familienmensch. Und, wer heute jung ist oder damals nicht in Wittenberg lebte, weiß das freilich nicht, eben auch besonders als Vermittler im Herbst 89, als gar nichts sicher war und die Lage noch jeden Augenblick hätte eskalieren können.
Was Steinwachs für diese Rolle prädestinierte, beschreibt Schorlemmer so: "Er hat sich nicht in die Konflikte parteilich einbinden lassen und war somit von verschiedenen Parteien und Positionen akzeptiert." Als vor dem Rathaus die Wut hochkochte "und alles Unterdrückte über den Marktplatz hallte", brauchte Steinwachs nur eine Geste, um aufgebrachte Menschen zu beruhigen. Es war, erinnert Schorlemmer, eine offene Hand. Wenig später, die bis dahin geltenden Strukturen brachen wie ein Kartenhaus zusammen, war Steinwachs die vermittelnde Person am Runden Tisch im Kreis Wittenberg. So sehr er sich für seine Kirche engagierte, so sehr hat er sich immer auch in das gesellschaftliche Leben eingebracht. Schorlemmer erinnert an vieles, etwa an den langen Weg, bis es im November 1988 "zum Stolper-Mahnmal unterhalb der Judenverspottung unserer Kirche kam". Und daran, dass der Bau eines Gemeindehauses neben dem Bugenhagenhaus nicht zuletzt seiner "Beherztheit" zu danken sei. Auch in der Neuzeit hat Steinwachs nie laut, aber immer vernehmlich seine Stimme erhoben und sich eingebracht. Er war Gründungspräsident des örtlichen Rotary-Clubs. Das Lutherforum, welches im Zuge der Reformationsdekade entstand, gäbe es ohne ihn so vermutlich nicht.
Was bleibt? Wer sich erinnert, sagt Schorlemmer, "erinnert sich wohl zuerst an einen Mann mit Haltung, mit Verbindlichkeit, Verlässlichkeit". Einer auch, der nach seiner Amtszeit "das Herzliche wie das Humorvolle entfalten konnte". Und man erinnert sich an einen Kunstfreund und -kenner, der besonders das Werk der Cranach-Maler nicht nur durchdrungen hatte, sondern es auch verstand, selbiges anderen zu erschließen.
Zuletzt war es ruhig um Albrecht Steinwachs. Kaum noch sah man ihn mit seiner Frau durch die Stadt spazieren, wohl nicht nur das Gehen fiel ihm schwer. Ihr, Marlies Steinwachs, hat er zu seinem 75. Geburtstag das Buch "Erdrauch, Distel, Apfelbaum" über Cranach und die Pflanzen gewidmet. "Überreicht mit einer weißen Nelke, die im Mittelalter als Ausdruck von Verehrung und Liebe galt."