Aids-Prävention Aids-Prävention: Wittenberger Turmspitze trägt Kondom
wittenberg/MZ. - Mit der Abbildung wollen die jungen Leute Aufmerksamkeit erregen und auf ein aus ihrer Sicht in den Hintergrund getretenes Thema hinweisen: Aids. Dass sie provozieren, ist ihnen bewusst. "Das ist gewollt, das ist kein 0-8-15-Flyer, sondern ein Hingucker, der hoffentlich im Kopf bleibt", sagt der Chef der Jungen Union, der 18-jährige Martin Steindorf. Zudem wollen sie gerade Jugendliche erreichen - und für die sei ein von einem Kondom umschlossener Schlosskirchen-Turm kaum eine Provokation: "Das ist eine kreative Idee, wir hoffen dadurch, Anklang zu finden." Dass der Turm eher als städtisches, nicht als kirchliches Symbol ausgewählt worden sei, bemerkt Steindorfs Stellvertreterin, Mareike Schumacher: "Den sieht man jeden Tag, das Problem sollte man ebenfalls jeden Tag sehen." "Wir wissen", räumt die 18-jährige Wittenbergerin ein, "dass wir nicht nur auf positive Resonanz stoßen werden, aber wenn wir Aufmerksamkeit für das Thema schaffen, haben wir unser Ziel erreicht."
1 000 Flyer werden verteilt
Der junge Mann aus Coswig, Martin Steindorf, warnt vor einer Verharmlosung der Krankheit: "Oft wird angenommen, dass die Infektionskrankheit HIV vornehmlich ein Problem von Entwicklungsländern ist, aber immer noch stecken sich in Deutschland täglich Menschen an, dagegen muss man kämpfen." Aids sei nach wie vor nicht heilbar, ein Kondom zu benutzen der einfachste Schutz.
1 000 der Flyer, in denen ein Kondom steckt, sollen Freitagabend zunächst vor dem Einkaufszentrum Carat-Park und später in der Stadt sowie unweit von Diskotheken verteilt werden. Vorrangig an junge Leute: "Da ist die Unwissenheit erheblich", glaubt Steindorf - und hofft, dass die Resonanz größer ist, wenn Jugendliche zu Jugendlichen sprechen.
In der Stadt unterdessen hält sich die Empörung in Grenzen. Im Gegenteil. Pfarrer Jürgen Grabner, der in der Schlosskirche predigt, findet die Idee pfiffig. Auch Luther habe provoziert, auf drängende Probleme aufmerksam gemacht und sei dabei nicht wenigen auf die Füße getreten. Grabner will nicht ausschließen, dass sich jemand in seinen religiösen Gefühlen verletzt fühlt durch die Abbildung, hält die Aktion aber trotzdem für legitim. Nicht zuletzt deshalb, weil der Turm selbst kein religiöses Symbol sei. "Seine Funktion ist, die Glocken zu tragen, die zum Gebet rufen." Hätten die jungen Leute das Kreuz benutzt, "dann würde ich jetzt anders mit Ihnen reden". So befindet der Pfarrer: "Als Christenmenschen können und sollten wir entspannt damit umgehen."
Kein ganz neues Motiv
Entspannt sieht auch die Hüterin des Erbes der Reformation, die Stiftung Luthergedenkstätten, das Kondom auf der Turmspitze. "Kein Problem", sagt Sprecher Florian Trott und weist darauf hin, dass das Motiv nicht neu sei. "Mit anderen Kirchtürmen ist das auch schon gemacht worden. Zuletzt am Freiburger Münster, als der Papst zu Besuch war." Eine andere Dimension hätte die Sache, wäre eine katholische Kirche ausgewählt worden. Trott: "So steht die Frage: Ist das wirklich eine Provokation oder vielmehr sexistisch platt."
Christian Tylsch, der Kreisgeschäftsführer der CDU, sieht das Agieren des Partei-Nachwuchses mit einem Lächeln: "Ich persönlich finde, man darf provozieren. Und die Junge Union darf ruhig auch ein bisschen Krawall machen." Dass die Sache nicht ganz ohne ist, darauf habe er allerdings hingewiesen. "Aber wenn sie auf ihr Thema zurückkommen, geht das in Ordnung."