30. Oktober 30. Oktober: Schock am Nachmittag

ZAHNA/MZ. - Es soll ein heiterer Nachmittagwerden, doch er endet in Verzweiflung. BeiFamilie Lohmann in der Breitenstraße von Zahnahaben sich Kinder am Sonnabend zu einer Geburtstagsfeierversammelt. Sie sind im Obergeschoss des Hauses,als es passiert. Ein Kleinflugzeug bohrt sichdirekt neben dem Gebäude in den kleinen Parkplatz.Die angrenzenden Häuser im dicht besiedeltenZentrum verfehlt es nur knapp. Der Propellerdes einmotorigen Tiefdeckers Zlin Z-42 wirdabgerissen und 20 Meter weit durch die Luftgeschleudert. Kurz darauf geht die Maschinein Flammen auf. Von dem Flugzeug, in dem zweiMänner im Alter von 42und 44 Jahren sterben,bleibt nur das Heck nebst Leitwerk übrig.Der Rest ist ein Trümmerhaufen. Die Kinderwerden in Sicherheit gebracht.
Dramatische Szenen spielen sich kurz vor15 Uhr in der gut 4000 Einwohner zählendenFlämingstadt im Landkreis Wittenberg ab. FredWerner steht auf seinem Hof und sieht am Himmeldie Maschine zweimal kreisen. "Beim erstenÜberflug war alles normal, dann lief der Motorunrund", schildert er. Plötzlich sei es stillgewesen, "und ich sah das Flugzeug schrägüber die Giebel der Häuser stürzen". Erstgibt es einen lauten Knall, dann eine Explosion.Die Breitenstraßes> verschwindet in einerdicken Rauchwolke. Anwohner rennen nach draußenund wollen helfen, Werner schnappt sich einenFeuerlöscher. Doch gegen die Flammen habensie keine Chance. Also fahren sie erst einmalihre Autos weg, um ein Übergreifen des Feuerszu verhindern.
Aus der brennenden Zlin läuft derweil Treibstoffin den Kanal. Dort entzündet sich das Gemischund verursacht eine schwere Detonation. Ein24-Jähriger, der gerade auf einem Kanaldeckelsteht, wird mit dem massiven Eisendeckel indie Luft geschleudert, erleidet Knochenbrücheund eine Fraktur am Rücken. Er muss ebensoins Krankenhaus wie ein verletzter Radfahrerund ein 14-jähriges Mädchen, das einen Schockerleidet. Die herbeigeeilte Feuerwehr bringtdie Lage schließlich unter Kontrolle.
Die Tragödie hätte in einer Katastrophe endenkönnen. Dass die Zlin in kein Haus stürzte,ist für viele ein Wunder. Ernst Knoll, derschräg gegenüber des Parkplatzes einen Fleischerladenbetreibt, hat das Drama miterlebt. "Es hätteviel schlimmer kommen können, wäre das Flugzeugin die Gebäude gekracht. Es fällt mir trotzdemschwer, von Glück für uns zu sprechen, weilandere Menschen gestorben sind", sagt er.
Am Abend beginnt für Polizei, Rechtsmedizinerund Vertreter der Flugunfallermittlung dieSpurensuche. Gegen 14 Uhr war die Zlin inSüdbrandenburg auf dem Flugplatz Luckaitztalgestartet, der vom Fliegerclub Bronkow betriebenwird - ihm gehört auch die Maschine. ZahnasBürgermeister Hans-Helmar Mordelt (parteilos)kannte einen der Piloten. "Ich bin mit ihmzu unseren Flugsporttagen geflogen. Er hinterlässteine Familie mit drei Kindern. Es ist furchtbar."
Nach Mordelts Informationen wollten Mitgliederdes Clubs die Lutherstätten in Mitteldeutschlandabfliegen und hatten sich zu einer Landungin Rackith bei Wittenberg verabredet. DiePolizei will das nicht bestätigen. "Wir ermittelnund warten auf die Identifizierung der Toten",erklärt Polizeisprecher Ralf Moritz. NachAngaben des Fliegerclubs waren die beidenPiloten langjährige Mitglieder im Verein.Die Maschine habe man regelmäßig gewartet."Wir sind tief erschüttert", sagt MotorflugreferentTorsten Heine-Sims.
Jens Friedemann von der Bundesstelle für Fluguntersuchungrechnet derweil mit einem ersten Ergebnisder Ursachensuche frühestens in sechs Wochen.Es müssten schließlich noch Radardaten ausgewertetund die Fluglizenz überprüft werden. Und sowird in Zahna spekuliert, warum der Pilotnicht versuchte, auf einer der Wiesen undAckerflächen zu landen, die die Stadt umgeben.
Für die Anwohner in der Breitenstraße kehrtmit den Aufräumarbeiten indes keineswegs dieNormalität zurück. Viele stehen unter Schock."Es hilft mir, wenn wir darüber reden. Binich alleine, versuche ich, die Bilder zu verdrängen",sagt Viola Schneider. Doch Abschalten istunmöglich. Ihre Tochter, die 14-Jährige, mussmindestens bis heute in der Klinik bleiben.Das Mädchen stand neben dem Gullydeckel, deraus seiner Verankerung gerissen wurde. "Siehatte Glück und wir mit ihr", flüstert dieMutter.
Noch am Sonnabend kümmern sich Seelsorgerum die Menschen. "Diese Betreuung ist wichtig,um die Leute ein Stück aus dem Albtraum zubefreien", sagt der Bürgermeister und sprichttrotz vereinzelter Schäden an Wohngebäudenvon einem Schutzengel, den die Zahner gehabthätten.
Am Sonntagnachmittag holen Mitglieder desFliegerclubs die Überreste der Zlin ab. FredWerner und die anderen Nachbarn haben am Unfallorteine schwarze Rose abgelegt und Teelichteraufgestellt. "Wir kennen die Männer zwar nicht,aber so können wir unser Mitgefühl zeigen."