Zeitzeugen sind «Schätze» gegen schnelles Vergessen
Weißenfels/MZ. - Sie wird erstmals im Weißenfelser Fürstenhaus an Menschen verliehen, die die Zeit des Nationalsozialismus erlebt und der Nachwelt darüber berichtet haben. "Denn wenn man diese Geschichte nicht erzählt, vergisst man, dass sie existiert hat", sagt Uta Bernecker, die dem Verein angehört, in einleitenden Worten.
Alle drei Geehrten stammen aus Familien mit jüdischen Wurzeln und Uta Bernecker bezeichnet sie in Anspielung auf die Schätze, die jetzt in einem neuen Museum in der Erfurter Synagoge gezeigt werden, als "kostbare Schätze", über die man in Weißenfels verfüge. Dabei vereint Schramm und Hoffmann das Buch "Ich will leben" über die jüdische Geschichte in Weißenfels. Ersterer hat sie, die auch seine eigene Familie berührt, niedergeschrieben und letzterer hat dazu beigetragen, dass sie redaktionell bearbeitet wurde und Verbreitung fand.
Sonja Hahn ist eine Großcousine Schramms. Sie spielte als Kind, als die Nazis ihre Großmutter, eine Jüdin, abholten. Gemeinsam mit ihrer Schwester wurde diese im Konzentrationslager Ravensbrück ermordet. Die Ehrennadel für Sonja Hahn würdigt stellvertretend auch ihren Vater, der seine jüdische Frau nicht verließ und sie so vor dem Tod bewahrte. Heute sagt Sonja Hahn: "Diese Ehrung zeigt, dass das, was wir durchmachen mussten, nicht vergessen ist." Sie erzählt von traumatischen Erlebnissen, als Wohnung und Schränke durchsucht wurden und man sie in der Schule benachteiligte.
Schramms Buch wollte in DDR-Zeiten niemand veröffentlichen. Das geschah erst nach der Wende. Heute sagt der Mann, der das Patentzentrum an der Technischen Universität Ilmenau leitet: "Es sind die historischen Fakten, die Zweifelnde davon überzeugen, dass es dieses Unrecht gegeben hat." Es helfe, Schlimmes zu verhüten. Er selbst habe Straffällige aus der rechten Szene gesprochen und das Gefühl, dass er sie auf einen guten Weg zurückführen konnte. "Ausgangspunkt ist vielfach mangelndes Wissen über die Vergangenheit." Karl-Heinz Hoffmann bekennt, dass er seit dem Erscheinen von "Ich will leben" immer weiter geforscht habe. Der 95-Jährige hat selbst jüdische Wurzeln und "die moralische Verpflichtung gespürt, alles über jüdische Schicksale zu erfahren, was möglich war". Inzwischen seien die Namen von 66 ermordeten Weißenfelser Juden bekannt. Er sei glücklich, dass junge Menschen im Simon-Rau-Zentrum helfen wollen, die weißen Flecken in der Geschichte zu tilgen. Junge Leute sind es auch, die für den kulturellen Rahmen der Feierstunde sorgen. So brilliert Björn Krämer mit seinem Violinspiel und Thekla Bernecker bringt verschiedene Texte und auch ein hebräisches Lied zu Gehör.
Vereinsvorsitzender Enrico Kabisch macht darauf aufmerksam, dass mit der Ehrung das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte und damit verbundene Schicksale in den Mittelpunkt gerückt werden. Weitere Ehrennadeln will man überreichen. Denn leider haben die in den USA lebenden Kinder des letzten Rabbiners von Weißenfels, Simon Rau, nicht anreisen können, wollen das aber nachholen.