Zahl der Demenzerkrankungen steigt Zahl der Demenzerkrankungen in der Region Weißenfels steigt: Gegen das Vergessen

weissenfels - „Wie fühlen Sie sich denn?“ - Monika Gehlert muss auf die Frage der Oberärztin der Klinik für Innere Medizin/Geriatrie Angelika Knispel nicht lange überlegen und antwortet spontan. „Gut, ich bin zufrieden“, sagt die 75-Jährige aus Teuchern, die sich die Mittelhand gebrochen hatte und geraume Zeit im Krankenhaus Weißenfels zubringen musste. „Wir haben wir Sie einen speziellen Rollator für zu Hause bestellt“, ergänzt die promovierte Medizinerin. Monika Gehlert lächelt zufrieden.
460 Fälle im ersten Halbjahr 2016 in Weißenfels
Dass die Seniorin in der Klinik für Innere Medizin/Geriatrie lag, hatte einen guten Grund: Nach ihrem leichten Schlaganfall fällt es ihr schwer, die linke Hand zum Gesicht zu führen. Beim Aufenthalt von Patienten in der Klinik schaut die Oberärztin zugleich nach Anzeichen von Demenz. Aus gutem Grund: Sie weist darauf hin, dass mittlerweile ab einem Alter von etwa 80 Jahren jeder zweite Patient von Demenz betroffen ist. Tendenz: steigend. Angelika Knispel kann das mit Zahlen untersetzen: „Die Zahl unserer Patienten, die wir stationär aus verschiedenen medizinischen Gründen behandeln und die an Demenz erkrankt sind, hat sich erhöht“, erklärt sie. Waren das beispielsweise 2012 in Weißenfels 380 Fälle, so sind es allein im ersten Halbjahr 2016 schon 460 Fälle.
Und es wären sicherlich noch mehr. Aber: „Das Thema Nerven ist leider immer noch schambesetzt“, fügt die Ärztin hinzu. Die starke Zunahme ist laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft bedingt durch die steigende Lebenserwartung sowie die Zunahme der Zahl an älteren Menschen. Sofern kein Durchbruch in Prävention und Therapie gelingt, werde die Zahl der Erkrankten jedes Jahr zunehmen. Jeden Tag werden es 100 Menschen mehr, und das auf Jahrzehnte, denn ein wirksames Gegenmittel ist derzeit nicht in Sicht, so Angelika Knispel.
Die Weißenfelser Klinik hat reagiert. So stehen nicht nur in der Klinik für Innere Medizin/Geriatrie Demenzerkrankungen im Fokus der Mediziner, sondern das passiert stationsübergreifend auch in der Urologie oder auch in der Kardiologie. „Es wurden alle Mitarbeiter sensibilisiert, Erkrankten nicht gleich den ,Demenz-Stempel’ aufzudrücken“, sagt Bianca Schulze-Schilf, die seit November des Vorjahres als Demenzbeauftragte am Krankenhaus eingesetzt ist. „Aber“, schränkt sie ein, „wir sind noch im Aufbau. Wir unterstützen und schulen das Personal in allen Abteilungen, die ältere Patienten behandeln.“
Schwachpunkt im häuslichen Milieu
Doch so gut diese Vorgehensweise im Weißenfelser Krankenhaus auch ausgeprägt ist, ein Schwachpunkt zeigt sich nach Ansicht der Ärzte im häuslichen Milieu, denn gerade hier erkennen Angehörige zumeist nicht erste Anzeichen der Demenz: Da vergessen Ältere unter anderem Termine, verschlechtert sich die Sprache, werden Schlüssel verlegt oder neigen sie gar zu aggressivem Verhalten. Doch Angelika Knispel warnt: „Nicht alle Symptome deuten automatisch auf Demenz hin.“ Viel wichtiger sei, in der Situation ärztliche Hilfe anzunehmen sowie eine sinnvolle Sozialstruktur zu fördern, sprich, Alleinstehende sich nicht allein zu überlassen. „Ältere profitieren davon, wenn sie in einer Gruppe leben“, so die Demenzbeauftragte. Sie habe festgestellt, dass Angehörige oft überfordert sind bei der Pflege älterer Menschen. „Wer nicht sicher ist, ob es sich um Demenz handelt, sollte sich nicht scheuen, uns anzusprechen“, erklärt die Oberärztin. Alles werde vertraulich behandelt.
Mitunter komme es eben auch vor, dass Angehörige nicht wahrhaben wollen, dass es sich um Demenz handelt und schieben die Krankheit weit weg. Doch Bianca Schulze-Schilf warnt: „Unwissenheit bringt Unsicherheit.“ Genau das scheint eine Studie zu belegen, die in den östlichen Bundesländern vorrangig mit Älteren durchgeführt worden ist. Die besagt, dass die Menschen vor Demenz mehr Angst haben als an Krebs zu erkranken.
Unterschiede in den Bundesländern
Zwischen den Bundesländern gibt es Unterschiede aufgrund der Altersstruktur der Bevölkerung. So sind in Berlin 8,2 Prozent der über 65-Jährigen an einer Demenz erkrankt, in Rheinland-Pfalz sind es 9,1 Prozent. Nordrhein-Westfalen, das bevölkerungsreichste Bundesland, hat mit mehr als 320 000 Betroffenen die höchste Zahl an Demenzkranken.
(mz)
