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Wut, Verzweiflung und Hoffnung Wut, Verzweiflung und Hoffnung: Vor zwei Jahren begann der Abwasserstreit

Von Holger Zimmer 16.01.2018, 09:44
Maria Thieme, Inge Schulz und Carmen Hartung (von links) vom Hohenmölsener Südhang zeigen eine Dokumentation, die sie zusammengestellt haben.
Maria Thieme, Inge Schulz und Carmen Hartung (von links) vom Hohenmölsener Südhang zeigen eine Dokumentation, die sie zusammengestellt haben. P. Lisker

Hohenmölsen - Mitte Februar gibt es die Hauptverhandlung im Verfahren des Bad Dürrenberger Wasser- und Abwasserverbandes (ZWA) und der Stadt Lützen.

Es scheint Bewegung in die Sache zu kommen, die auch mehr als 4.000 Grundstückseigentümer seit mehr als zwei Jahren in Atem hält. Damals waren Nachveranlagungen in die Haushalte verschickt worden. Doch der Fall wird erst später verhandelt.

Abwasserstreit in Lützen, Weißenfels, Hohenmölsen und Teuchern

In dieser Woche hatten sich drei Frauen zum Kaffee getroffen. Sie sind 1997 mit ihren Familien aus den Großgrimmaer Ortsteilen Domsen und Deumen auf den Hohenmölsener Südhang umgesiedelt und schwärmen vom Zusammenhalt der Nachbarn.

Es wurde gebaut und man war glücklich. Bis es 2006 ein erstes Erdbeben gab. Damals ging es um eine Nachzahlung von Abwasseranschlussgebühren von mehreren 1.000 Mark (heute knapp 500 Euro).

„Kurz vor der Weihnachtszeit war das. Alles wurde aber wieder zurückgenommen“, sagt Inge Schulz (70). Dann war neun Jahre Ruhe und wieder war Weihnachten nicht mehr fern.

Nachzahlungen für Abwasser

Anwohnerin Carmen Hartung spricht von einer Satzungsänderung im Abwasserzweckverband Saale-Rippachtal, der wenige Monate später vom Bad Dürrenberger Verband übernommen wurde. Auch der Hohenmölsener Bürgermeister hatte damals zugestimmt. Danach kam das böse Erwachen.

Die 53-Jährige redet von Abzocke und die drei Frauen verweisen auf Summen zwischen 2.900 und 3.400 Euro. Wie es ihnen damals gegangen ist? Maria Thieme sagt: „Ich hatte Kopfschmerzen und mir war übel.“

Den anderen Frauen ging es ähnlich. Die Feiertage waren gelaufen. Wer den Frust richtig verstehen will, muss wissen, dass man in ein voll erschlossenes Baugebiet gezogen war und Anschlussgebühren zwischen 2.000 und mehr als 3.000 Mark zahlen musste. Damit sei alles abgegolten, hieß es damals.

Die Mibrag hatte sogar die Kanalisation bezahlt, denn das Bergbauunternehmen wollte ja die Umsiedlung wegen des weiteren Tagebau-Aufschlusses. Heute soll das Unternehmen für seine Werkswohnungen selbst in Größenordnungen nachzahlen.

Streit mit Bad Dürrenberger Wasser- und Abwasserverband

Was um den Jahreswechsel 2015/16 passierte, glich einer Revolution. Die Situation wäre Anfang Januar im Bürgerhaus fast eskaliert. In dem befanden sich damals 600 Leute. Teilweise standen sie und für weitere über 50 war kein Platz mehr im Saal.

Und dann habe die damalige ZWA-Geschäftsführerin Johanna Michaelis laut Frau Thieme gesagt: „Euer Geld kriege ich.“ Inge Schulz kann das Grinsen bei diesem Satz nicht vergessen, das sie arrogant nennt. Auf jeden Fall gab es zahllose Widersprüche gegen die Bescheide.

„Damals haben wir zu hören bekommen, dass der Verband ohne dieses Geld nicht bis zum Jahresende existieren kann“, sagt Maria Thieme. „Doch es gibt ihn immer noch“, sagt Inge Schulz. Sie meint: „Ich muss mir wirklich überlegen, ob ich mir eine Fahrt in den Urlaub leisten kann.“

Frau Thieme äußert: „Wir werden hier zu Menschen dritter Klasse gemacht.“ Sie hat im Bergbau gearbeitet, hat derbe Späße zu hören bekommen, doch in diesem Fall ist ihr der Humor vergangen. Ihr Mann war in der Agrargenossenschaft tätig und Berufskraftfahrer.

Nun ist er krank, braucht dreimal in der Woche eine Dialyse. Von früh bis abends haben sie gearbeitet und plötzlich bekam der Mann nur noch Hartz IV.

Anwohner sollen mehrere Tausend Euro zahlen

Als er in Rente ging, wurde ihr Harz-IV-Geld gekürzt. Um über die Runden zu kommen, sei ihr nichts anderes übrig geblieben, als mit 18 Prozent Abzügen vorzeitig auch in Rente zu gehen. Haben die Frauen Hoffnungen, wenn es zum Verfahren kommt?

Die Hohenmölsenerinnen wirken ratlos. Maria Thieme sagt: „Bekommen wir kein Recht und müssen zahlen, gehe ich lieber ins Gefängnis. Dort habe ich alles.“ Denn die 3.400 Euro samt der zwei Prozent Zinsen, die seit Mai vergangenen Jahres anfallen, wiegen schwer. Und das trotz 46 Jahren Arbeitsleben.

Ungewisse Zukunft im Abwasserstreit

Das Trio weiß, dass das Verwaltungsgericht zwei Entscheidungsmöglichkeiten hat. Carmen Hartung und Inge Schulz verweisen auf die hoffnungsvolle Zeit von vor einem Jahr. Damals hatte die ZWA-Verbandsversammlung zweimal mit knapper Mehrheit entschieden, auf die Nachzahlungen zu verzichten.

Dagegen hatte die Verbandsgeschäftsführerin zweimal Widerspruch eingelegt. Die landeten zuletzt bei der Kommunalaufsicht des Burgenlandkreises und dann beim Innenministerium. In einer internen Runde mit allen Verantwortungsträgern kam unterm Strich heraus, dass man die Gerichtsurteile abwarten sollte.

Ungewissheit kann zermürben. „Man wird regelrecht phlegmatisch“, sagt Frau Thieme. Carmen Hartung, die als Arzthelferin arbeitet, meint: „Ich hoffe, dass es für uns gut ausgeht. Aber Recht haben und Recht bekommen, sind zwei Dinge.“ (mz)