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Wochentag beginnt mit Pusten

Von Bärbel Schmuck 23.06.2008, 17:12

Weißenfels/MZ. - "Bei uns gibt es kein Dosenfutter, alles, was auf den Tisch kommt, wird frisch zubereitet." Ein schmächtiger Mann sagt es, den alle in der Tagesstätte Grüne Rose Jörg nennen.

Der 46-Jährige stellt in der geräumigen Küche der Weißenfelser Tagesstätte Grüne Rose Zutaten für das Mittagessen zusammen, die zuvor eingekauft wurden: Gehacktes, Pfeffer und Salz, Paprikaschoten und Kartoffeln. "Gefüllte Paprikaschoten essen wir alle gern", schwärmt Jörg, der im sozialtherapeutischen Zentrum Langendorfer Straße 45 Küchendienst und - ein neues Leben begonnen hat. "Ohne die Gemeinschaft in unserer Tagesstätte wäre ich längst wieder abgerutscht oder vielleicht schon tot", bekennt Jörg, der Bier und Schnaps wie sein tägliches Brot brauchte. Auch Ullrich Hartwig war jahrzehntelang abhängig von der Droge Alkohol. "Sie hat mein Leben bestimmt, ich war ganz unten, jeden Tag besoffen und sehr allein", sagt der 52-jährige Weißenfelser. "So konnte und wollte ich einfach nicht mehr weitermachen."

Die beiden arbeitslosen Männer haben ärztliche Hilfe gefunden, Entgiftungs- und Entziehungskuren absolviert und in der Sucht- und Drogenberatungsstelle des Roten Kreuzes die Empfehlung erhalten, sich in der "Rose" vorzustellen.

"Wer zu uns kommt, um wieder zu lernen, Struktur in seinen Tag zu bringen und Verantwortung für Aufgaben zu übernehmen, muss trocken sein", hebt Sozialtherapeut Dr. Bernhard Hanl hervor. "Alkohol ist bei uns tabu", fügt der Leiter der Tagesstätte hinzu. Deshalb müsse auch jeder Klient morgens ins Röhrchen pusten. "Damit habe ich kein Problem", versichert Jörg. "Hier habe ich von Montag bis Freitag das Gefühl, gebraucht zu werden, ich habe außerdem Freunde gefunden", fügt er hinzu.

Ullrich Hartwig hat ähnliche Erfahrungen gemacht. "Jeder Tag ohne Alkohol ist für mich ein gewonnener Tag. Es ist, als würde ich zur Arbeit gehen und Pflichten erfüllen", sagt er. "Wir haben Regale gebaut und sind dabei, für unsere Tagesstätte alte Stühle neu aufzumöbeln", nennt er ein Beispiel , das zum umfangreichen und vielseitigen Arbeitsprogramm (Ergotherapie) gehört.