1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Weißenfels: Weißenfels: Stadtzentrum ist umzingelt von Ruinen

Weißenfels Weißenfels: Stadtzentrum ist umzingelt von Ruinen

Von bärbel schmuck 29.04.2014, 18:37
Erker und Balkone am „Goldenen Ring“ zeigen Risse. Die Stadt hat den Eigentümer aufgefordert, die Standsicherheit des Hauses nachzuweisen.
Erker und Balkone am „Goldenen Ring“ zeigen Risse. Die Stadt hat den Eigentümer aufgefordert, die Standsicherheit des Hauses nachzuweisen. Peter Lisker Lizenz

weissenfels/MZ - Das Gebäude in der Weißenfelser Friedrichsstraße 12 ist umzingelt von Ruinen. Das Wohn- und Geschäftshaus mit der gelbgrünen Fassade gleicht einer Insel, auf der das Leben pulsiert, während nebenan der „Goldene Ring“ seit mehr als einem Jahrzehnt leer steht und vor sich hindümpelt.

„Risse im Erker und den Balkon-Bereichen haben uns veranlasst, den Hauseigentümer in Stuttgart aufzufordern, die Standsicherheit der Immobilie nachzuweisen“, sagt Manuela Meißner von der Stadtverwaltung auf MZ-Nachfrage. Ein Zwischenbescheid des Vertreters der Eigentümergemeinschaft liege jetzt vor, ist weiter von der Abteilungsleiterin für Bauordnung zu erfahren. In dem Schreiben aus Baden-Württemberg heiße es, dass Kontakt mit einem Ingenieurbüro aufgenommen worden sei.

Das Hotel „Goldener Ring“ in Weißenfels war zu DDR-Zeiten zusammen mit dem „Nelkenbusch“ im Stadtzentrum das erste Haus am Platz. Das Gebäude in der Jüdenstraße 51 befindet sich seit der Wende in Privatbesitz. Versuche, das aus dem Jahr 1890 stammende Haus wieder als renommiertes Lokal zu betreiben, schlugen fehl. Am selben Standort befand sich das Elternhaus des Komponisten Heinrich Schütz. Landgraf Moritz von Hessen-Kassel entdeckte hier das musikalische Talent des kleinen Heinrich.

„Es ist schlimm, dass sich nach zwei Jahrzehnten nichts getan hat, aber ich glaube schon lange nicht mehr an den Weihnachtsmann“, erklärt Udo Schreiber. Ihm und seiner Frau Edith gehört die „Insel“ in der Nachbarschaft. Hier betreiben beide Stomatologen eine Zahnarztpraxis, die Wohnungen in der oberen Etage sind vermietet. Vom Fenster des Sprechzimmers aus hat Schreiber einen direkten Blick auf verfallenes marodes Gemäuer. „Wir sind zwar durch unsere Arbeit an den Patienten abgelenkt, doch wir fühlen uns nicht gut“, sagt der Arzt, der sich mit seiner Familie seit Jahren für ein Denkmal engagiert und als Vereinsmitglied seinen persönlichen Anteil am Erhalt des Bismarckturms auf dem Klemmberg hat.

Anfang der 1990er Jahre haben Schreibers die Jugendstilvilla in der Friedrichsstraße erworben und sanieren lassen. „Wir haben nach der Wende Praxisräume im Zentrum gesucht“, blickt seine Frau zurück. Was sie aus dem Haus gemacht haben, kann sich sehen lassen - sagen viele Patienten. Sie ärgern sich umso mehr über das vergammelte Terrain rundherum. „Das ist ein Schandfleck für die Stadt“, schimpft Thea Melzer. Dabei sei der „Goldene Ring“ zu DDR-Zeiten als Gaststätte ein Aushängeschild für Weißenfels gewesen, erinnert sich die frühere Besucherin an schöne Feiern zu Geburtstagen und anderen Anlässen.

Warum wird der „Ring“ nicht abgerissen, wenn das Haus keiner haben will, fragen Touristen, zu denen auch Verwandte aus Gotha von Thea Melzer gehören. Nicht nur sie suchen den Ort Jüdenstraße 51 auf, um zu lesen, was auf der Gedenktafel steht: Im elterlichen Gasthof „Zum Goldenen Ring“ verlebte der Musiker Heinrich Schütz von 1590 bis 1598 seine Kindheit. Andere Besucher der Stadt erkundigen sich, warum die Kommune das Gebäude so verkommen lasse, während das Heinrich-Schütz-Haus in der Nikolaistraße 13, in dem der Komponist (1585 bis 1672) seine letzten Lebensjahre verbrachte, zu einem Schmuckkästchen gestaltet wurde. „Das ist ein krasser Gegensatz, wie er widersprüchlicher nicht sein kann. Man muss sich schämen, Gäste hierher zu führen“, wettert die Weißenfelserin.

Solange keine Gefahr vom Goldenen Ring ausgehe, keine Dachziegel herabfallen würden, könne die Stadt nichts machen, sagt Manuela Meißner. Die Abteilungsleiterin bei der Stadt verweist wiederholt auf private Eigentumsverhältnisse und dass abzuwarten bleibe, ob die Standsicherheit des Gebäudes Jüdenstraße 51 gegeben sei oder nicht. Mehrfache Versuche der MZ, mit dem Vertreter der Eigentümergemeinschaft telefonisch in Kontakt zu treten, sind fehlgeschlagen. Für eine Stellungnahme in der Zeitung sei er nicht bereit, wie er über andere Personen wissen ließ.

Die gegenüberliegende Baulücke Jüdenstraße/Ecke Saalstraße, die momentan als Parkplatz genutzt wird, soll noch in diesem Jahr geschlossen werden. „Wir halten an unserem Vorhaben fest, hier ein Wohn- und Geschäftshaus zu errichten“, sagt Martin Neumann, geschäftsführender Vorstand der Weißenfelser Wohnungsbaugenossenschaft (WBG). Er verweist auf rege Nachfragen nach Wohnungen im Zentrum der Stadt.

Zahnärztin Edith Schreiber ärgert das marode Umfeld in der Nachbarschaft.
Zahnärztin Edith Schreiber ärgert das marode Umfeld in der Nachbarschaft.
Peter Lisker Lizenz