1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Weißenfels
  6. >
  7. Weißenfels: Weißenfels: Rausgeschleudert

Weißenfels Weißenfels: Rausgeschleudert

Von PETRA WOZNY 12.01.2012, 19:13

WEISSENFELS/MZ. - Dann werden in der Wäscherei nahe der Saale die Lichter ausgehen. So hat es die Geschäftsleitung der Textil Service Klingelmeyer GmbH Co.KG mit Sitz in Darmstadt bereits im Oktober 2011 beschlossen.

"Den Menschen zu kündigen, macht keinen Spaß", meint Juniorchef Jörg Klingelmeyer, der an die Belegschaft die blauen Briefe übergab. Die Personalkosten seien gegenüber dem Betrieb in Darmstadt deutlich geringer, die Leistung gut. Immerhin, so der 30-Jährige, würden pro Tag von der Weißenfelser Belegschaft rund vier Tonnen Wäsche, vornehmlich aus der Gastronomie, Hotels und Altenpflegeheimen umgeschlagen. Dennoch sei aus betriebswirtschaftlichen Gründen gekündigt worden.

Das Unternehmen habe in den letzten Jahren große Kunden wie die Bundeswehr und das Fleischwerk verloren. Preisdruck habe dahinter gesteckt. Der wesentliche Grund liegt aber weniger im Umsatz, als in der maroden Substanz des Gebäudes in der Leipziger Straße. Wolfgang Martin von der Wirtschaftsförderung der Stadt kennt das Unternehmen seit 1993. "Hier wurde doch kein Pfennig reingesteckt", urteilt er. "Eine Sanierung des alten Gebäudes haben wir in der Tat nie in Betracht gezogen", bestätigt Junior Klingelmeyer. Mehrfach sei deshalb die Geschäftsführung bei der Wirtschaftsförderung vorstellig geworden. "Wir wollten auf die grüne Wiese umziehen und hätten etwa 1,5 Millionen Euro investiert, aber irgendwie hat sich das nicht ergeben", sagt der Chef und spricht von Zurückhaltung der Stadt.

In der Tat habe der Textil Service diesen Wunsch geäußert, weiß Martin, für den der Betrieb nicht gerade blütenrein ist. Ende der 90er Jahre habe es Ärger mit der Unteren Wasserbehörde gegeben - die Wäscherei habe ungeklärte Waschlauge in die Saale eingeleitet. Bis zum Anschluss an das öffentliche Netz habe es "ordentlich Druck" gegeben, heißt es aus dem Rathaus. "Wir haben versucht, mit Flächen zu helfen. Als Angebot stand eine Fläche in der Käthe-Kollwitz-Straße. Auch das geplante Industriegebiet an der Autobahn 9 stand zur Diskussion." Andere Angebote, etwa ein Verweis nach Lützen zum Gewerbegebiet Zorbau hätten nicht zur Debatte gestanden. "Wir haben den Textil Service gebeten, uns den Bedarf an Fläche als auch den Verbrauch an Wasser und Abwasser zu nennen", schildert Wolfgang Martin. Geantwortet wurde nie. Stattdessen sei per Telefon aus Darmstadt die Information der Schließung des mittelständischen Unternehmens gekommen. Die Reaktion der Wirtschaftsförderung: "Wer Klingelmeyer kennt, weiß, dass Engagement zwecklos ist. Ja, wir haben tatenlos zugesehen", sagt Wolfgang Martin.Die mehr als 50 Mitarbeiter, vorrangig Frauen, trifft dies hart. Die überwiegende Mehrheit der Beschäftigten arbeitet seit Jahrzehnten in der Wäscherei. Der Altersdurchschnitt ist hoch. Die Verzweiflung ist groß unter den Frauen, je wieder einen Job zu finden. Ein Teil der Belegschaft klagt, ist von der Geschäftsführung zu hören. Zum einen gehe es um Wiedereinstellung, zum anderen um eine Abfindung. Noch einmal Juniorchef Jörg Klingelmeyer: "Ich gehe davon aus, dass keine der Frauen nach Darmstadt ziehen würde. Aber sie wären gern gesehen. Über eine Abfindung haben wir bisher noch nicht diskutiert."

Einen Betriebsrat gibt es nicht in der Wäscherei. Almut Kapper-Leibe, zweite Bevollmächtigte der IG Metall Sachsen-Anhalt, rät den Mitarbeitern, sich dennoch kurzfristig von der Gewerkschaft beraten zu lassen.

Die rund 200 Kunden des Weißenfelser Betriebes werden derzeit informiert. Ihre Wäsche soll ohne Mehrkosten in Darmstadt gewaschen werden.