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Weißenfels Weißenfels: Kleinigkeiten von Bedeutung

Von HEIKE RIEDEL 09.03.2012, 17:39

WEISSENFELS/MZ. - Jonathan kennt den Arbeitsplatz seines Vaters schon gut. Denn Steve Gebhardt hat den heute ein Jahr und neun Monate alten Jungen schon öfter dorthin mitgenommen. Zum Beispiel in der Vaterzeit, den sieben Monaten, die sich der Teamleiter Produktion bei der Simon-Werbung für seine Familie genommen hat. "Ich konnte miterleben, wie unser Baby wuchs und gedieh", ist Gebhardt froh über den zeitweisen Abschied vom Arbeitsplatz.

Dabei hat er aber locker den Kontakt zum Betrieb gehalten. "Und wenn es jetzt nötig ist, dass ich zu Hause bleibe, weil Jonathan krank ist, lasse ich auch nicht alles fallen, sondern kann Beruf und Familie vereinbaren, indem die Kollegen mal nach meinem Sohn schauen, während ich noch etwas fertig mache, was nicht liegen bleiben darf", berichtet der 36-Jährige. Schließlich sei er mit Frau und Sohn Weißenfelser geworden, auch weil er in der Stadt den Arbeitgeber gefunden habe, der familienfreundlich ist und in beidseitigem Interesse flexibel reagiert, wenn Problemsituationen entstehen.

"Es sind manchmal nur Kleinigkeiten, womit das zu schaffen ist", sagt Firmenchefin Elke Simon-Kuch, für die Familienfreundlichkeit auch heißt, Lösungen für die Pflege älterer Menschen oder für die Unterbringung eines Tieres zu finden. Als Arbeitgeberin gibt sie zum Beispiel ein Begrüßungsgeld für neue Erdenbürger, zahlt Kinderbetreuungskosten, findet Arbeitszeit- oder andere Regelungen, die mit den Bedingungen der Kinderbetreuung abgestimmt sind.

"Es ist zu kurz, den Ball zu den Unternehmern zu schieben", sagt sie aber beim Thema Frauenarbeitslosigkeit. Die Wertschätzung von Familie, für die in der Regel die Frauen zuständig sind, müsse die gesamte Gesellschaft tragen. "Da brauche ich das Verständnis meiner Mitarbeiter zum Beispiel ebenso und es muss auch der Kunde bereit sein, die höheren unternehmerischen Kosten mitzutragen", erläutert sie. Ihrer Meinung nach sollten gerade typische Frauenarbeitsplätze in Gastronomie und Handel angemessene Arbeitszeiten anbieten oder eben Lösungen zur Kinderbetreuung in den Abendstunden.

Die Möglichkeiten der Kinderbetreuung im Burgenlandkreis sind schon recht gut. Trotzdem wird in einer Frauenrunde bei der Arbeitsagentur, in der auch das Familiennetzwerk Burgenlandkreis vertreten ist, der Gedanke "Leih-Großeltern" diskutiert. Es geht darum, dass man irgendwo anrufen kann, um im Notfall für die Kinderbetreuung ein vertrauenswürdiges Hilfsangebot zu bekommen. "Wir haben schon die Sozialpaten im Mehrgenerationenhaus in Weißenfels, wir haben sogar schon ein Kinderhotel in Naumburg", sagt die Gleichstellungsbeauftragte des Burgenlandkreises Steffi Hager. Aber sie gibt zu bedenken, dass die Angebote auch genutzt und dafür bezahlbar gestaltet werden müssen.

"Das Potenzial der Frauen wird in Zukunft auf dem Arbeitsmarkt einfach mehr gebraucht", zeigt sich Kerstin Schieferdecker von der Arbeitsagentur zuversichtlich, dass sich durch die Netzwerkarbeit die Bedingungen für Familie und Frauen verbessern werden. Und die Arbeitsagentur geht dabei als Arbeitgeber vorbildlich voran. Trotz drittem Kind kann die 39-jährige Nadja Kappel nach ihrer Erziehungszeit jetzt wieder ihren Platz in der Geschäftsstelle Weißenfels einnehmen und ausfüllen. "Das setzt immer auch das Verständnis der Kollegen voraus und braucht flexible Arbeitszeiten", macht ihre Chefin Romy Naumann-Reißner klar. Arbeitskonten, Teilzeitarbeit, Telearbeit - solche Modelle kommen der Familiensituation entgegen.

Es fällt auch auf, dass es die typischen Frauenberufe sind, in denen so wenig Entlohnung gezahlt wird, dass davon keine Familie ernährt werden kann. Und oft müssen Frauen auch Teilzeitbeschäftigung annehmen, was ihnen ebenso zu wenig Einkommen bringt. Nur mit diesen Vorbehalten ist die Statistik zur Frauenarbeitslosigkeit (siehe Grafik) positiv zu bewerten.

Fünf Säulen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stehen am Ende der Diskussion: die persönliche Situation, die Qualifikation, die Mobilität (Ist der Arbeitsplatz erreichbar?), die Arbeitszeit, die Kinderbetreuung. Und an denen wird weiter gearbeitet.